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Lebenskunst und Humor

Autoren: Dipl.-Psych. et Dipl.-Theol. Thomas Holtbernd

Lebenskunst und Humor im Management

Ausgehend von der Kritik am Spaßaktor in Unternehmen wird eine Definitonsannäherung zur Heiterkeit vorgenommen. Anschließend werden zehn Aspekte dargestellt, die die Wichtigkeit wie auch die veränderten Verhältnisse für den Humor benennen. Dabei werden Beispiele der Humorarbeit als Konkretisierung der angeführten Aspekte beschrieben und Ergebnisse einer vom Autor durchgeführten Befragung vorgestellt.
„Spaß, Glücksmomente und persönliches Erfülltsein sind nicht mehr als ein angenehmer Nebeneffekt, der sich manchmal einstellt. Sie machen die Arbeit erträglicher und steigern das Interesse. Aber mehr nicht.“ Dies schreibt Judith Mair in ihrem Buch „Schluss mit lustig“. Nicht zu Unrecht hat sich dieser Titel auf die Bestsellerliste der Wirtschaftsliteratur hochgearbeitet. Die Autorin fordert die Wiederbelebung alter Tugenden wie Leistung und Disziplin. Führung, so auch schon Fredmund Malik oder Stefan Kühl, muss als verantwortliches Tun und deutliches Vorangehen aus dem seichten Fahrwasser der so genannten Soft Skills befreit werden. Die Heftigkeit, mit der Autoren wie Judith Mair gegen den „Spaßfaktor“ ankämpfen, resultiert wohl vor allem aus den Erfahrungen mit den immer neuen Managementmoden und den selbstgerechten Motivations-Gurus. Unternehmen wie auch Einzelpersonen haben hohe Summen investiert, um an Veranstaltungen von Jürgen Höller u. a. teilzunehmen, doch geblieben ist nicht viel. Es war vor allem eine gute Show, was diese „Begeisterer“ glänzend inszeniert haben. Inhaltlich ist nicht viel geblieben und Jürgen Höller sitzt im Gefängnis.

Judith Mair gehört zur Generation der 30-Jährigen und man könnte meinen, hier tritt eine Generation an, die die alten Sekundärtugenden wie Disziplin, Leistung, Pünktlichkeit usw. zu den alleinigen Regeln des Arbeitslebens machen wollen. Weit gefehlt, würde ich behaupten. Denn gleichzeitig propagiert diese Generation den Optimismus. Jüngst in der Ausgabe der Zeitschrift „Max“ vom 16.01.2003 erschien das „optimistische Manifest“. Man kann daraus nur schließen, die Generation der 30-Jährigen hat das Gejammere satt und will Spaß. Dieser Spaß muss jedoch anders verstanden werden als das, was so allgemein mit der Spaßgesellschaft verbunden wird. Spaß scheint im 21. Jahrhundert weniger eine Ventilfunktion zu haben. Man möchte einfach nur Spaß haben. Wer Spaß benutzen will, um die „Arbeiter“ wieder fit für den Beruf zu machen, der wird misstrauisch beäugt. Judith Mairs „Schluss mit lustig“ kann man daher auch als Manifest für das „reine Vergnügen“ lesen: Arbeit soll Arbeit bleiben, und Spaß soll Spaß bleiben. Oder wie man im Kohlenpott sagt: Schnaps ist Schnaps und Bier ist Bier.
Die Beschäftigung mit und die Betonung der Wichtigkeit des Humors könnte dagegen dazu verleiten, Arbeit als reinen Spaß vermitteln zu wollen. Doch Arbeit ist zunächst, wie es in Genesis 3,19 heißt, eine Angelegenheit „im Schweiße deines Angesichts“. Arbeit muss nicht, so schreibt es Judith Mair, Spaß machen. Wird alles zum Spaß, dann gibt es auch keine Unterscheidung mehr zwischen notwendig und „kann man mal machen“.
Will man seriös mit dem Thema Humor umgehen, schadet ein kurzer Blick in die Philosophenecke nicht. Wilhelm Schmid, der durch seine Foucault-Studien und seine Arbeiten über die Lebenskunst eine unerwartet positive Resonanz gefunden hat, weist der Heiterkeit einen wichtigen Platz in der Lebenskunst zu. Schmid bezeichnet Heiterkeit als eine Form der Lebensführung. Er kommt dabei auf die „Ursprünge“ der Heiterkeit in der griechischen Philosophie zurück und dort wird die Heiterkeit als „Leben im Gleichmaß“ definiert. Demokrit meinte, dass Heiterkeit aus dem maßvollen Umgang mit Listen entstehe. Keineswegs kann also Humor mit Spaß gleich gesetzt werden. Auch eine ungestüme Fröhlichkeit sollte nicht mit Heiterkeit verwechselt werden, denn sie resultiert aus einer Überbetonung und verhindert ein Gleichgewicht. Heiterkeit ist für ein souveränes Subjekt der Ausdruck eines erfüllten Lebens. Und das bedeutet in der Philosophie der Lebenskunst, der heitere Mensch erlebt sich getröstet. Souverän kann das Subjekt nur sein, wenn es die Abgründigkeiten und die Endlichkeit des Lebens reflektiert und akzeptiert sowie einen Weg des Umgangs damit gefunden hat. Die Tragik der eigenen Biografie wird nicht geleugnet, sondern durch die Heiterkeit in eine erträgliche Distanz gebracht. Die beiden Pole Freude und Trauer stehen gleichberechtigt nebeneinander. Ob freudig oder traurig, beide Gefühlsregungen sind Ausdruck von Lebendigkeit und daher positiv. Oder wie es Don Herold formuliert: „Ein humorvoller Mensch ist jemand, der sich schlecht fühlt aber sich deswegen gut fühlt.“ Für den Humor oder die Heiterkeit in der Arbeitswelt bedeutet dies, Arbeit wird anerkannt als eine Tätigkeit, die durch die Distanz zu ihr ertr äglich wird. Humor in der Arbeitswelt bedeutet ergo, Spaß durch eine bewusst gestaltete und geübte Distanz zur Arbeit zu haben.

Es drängt sich nun die Frage auf, ob die Konsequenz aus diesen Erärterungen eine Hinwendung zum ernsten und humorlosen Arbeitsplatz sein muss. Die Antwort ist nicht ein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-Als-Auch. Ein Unternehmen kann nicht „Klamauk“ und „Spaß“ als Maxime der Unternehmensphilosophie erheben. Ebenso wenig können „Ernst“ und „Disziplin“ allein das Unternehmensleitbild bestimmen. Und anderseits ist ein Witz eine sehr ernste Sache, wie Winston Churchill wusste. Die Angelegenheit ist von einer ernstzunehmenden Seriosität.
Befragt man indes die Betroffenen, also quasi uns alle, so zeichnet sich ab, dass der Humor für das Arbeitsleben als sehr wichtig eingeschätzt wird.
Nach der vom Autor durchgeführten Befragung glauben insgesamt 69% der Befragten, dass der Humor bei der beruflichen Kariere hilfreich ist. Nur 4% verneinen den humorvollen Einfluss auf den beruflichen Erfolg. Ähnlich ist das Ergebnis bei der Frage: Glauben Sie, dass humorvolle Menschen erfolgreich sind? Hier antworten 53% der Befragten mit einem eindeutigen „Ja“. 20% der Befragten negieren diesen möglichen Zusammenhang.

Tab. 2: Glauben Sie, dass humorvolle Menschen erfolgreich sind? 1. ja (53%) 2. nein (20%) 3. weiß nicht (27%)
Aus diesen Ergebnissen kann man nur folgern, dass Humor zwar nicht als absolut unverzichtbar angesehen wird, doch die Einschätzung als ein sehr wichtiger Faktor für den Erfolg kann wohl kaum bestritten werden. Noch prägnanter wird die Wichtigkeit des Humors, wenn nach den Eigenschaften einer Führungskraft gefragt wird.
6% der Befragten halten den Humor bei Führungskräften für unverzichtbar, 69% für wichtig und keiner der Befragten hält ihn für verzichtbar. Eine Fährungskraft ohne eine Prise Humor dürfte es folglich bei den Mitarbeitern sehr schwer haben. Doch nicht nur von den Vorgesetzten wird Humor erwartet. Auf die Frage: Wie oft setzen Sie Witz und Humor in Konfliktsituationen ein? gaben lediglich 4% der Befragten an, Humor nie zu gebrauchen. 14% gebrauchen sehr häufig Witz und Humor, 49% häufig und 33 % selten. Dabei scheint es unerheblich zu sein, ob die Befragten den Humor als Faktor für den Erfolg ansehen. Humor und Witz finden demnach in den Unternehmen häufiger statt als es das Äußere Erscheinungsbild vermuten lässt.
Anhand zehn harter Fakten zum Humor im 21. Jahrhundert soll nun im Folgenden die Sache genauer abgearbeitet werden.

Zehn Hardfacts für den Humor im Business

1. Generationenwechsel
Junge Führungskräfte und Mitarbeiter verstehen Spaß nicht als unseriös, es darf auch einmal etwas nicht so ernst sein. Die heutigen „Arbeitskräfte“ sind mit Comedysendungen und viel Klamauk in den Medien aufgewachsen. Humor wird nicht als gegensätzlich zur Ernsthaftigkeit gesehen, sondern als ein Gegenpol zum anstrengenden Alltag und zur hochkomplexen Wirklichkeit. Humor ist Lifestyle. Der Humor der „Alten“ ist vielen zu ernsthaft und anstrengend. Die Zweckfreiheit von Witz und Klamauk ist das Markenzeichen der Mediengesellschaft. Und Spaß das Kennzeichen des modernen Lebensgefühls. Die Ausbreitung der Mediengesellschaft lässt nur erahnen, in welcher Weise der heutige Mensch daran gewöhnt ist unterhalten zu werden. Zur wichtigsten Ressource ist nach dem Trendanalytiker und Philosoph Norbert Bolz die Aufmerksamkeit geworden. Und auch Unterhaltung muss die Aufmerksamkeit der Rezipienten herausfordern und dies gelingt durch „Schocker“ oder durch Humor. Das Abtesten von Grenzen und Tabus wie bei Stefan Raab und Harald Schmidt fördern das Empfinden für die Grenzwertigkeit von Witzen. Tabubruch ist heute schon fast kein Politikum mehr, sondern der Versuch, auch über das letzte und allerletzte Tabu noch einen Witz zu machen. Wer die Entwicklung der late-night-show von Harald Schmidt verfolgt hat, wird fest gestellt haben, wie sich die Tabubrüche vom provozierenden Schocker zur banalen Alltäglichkeit verschoben haben, Schmidt bricht das Tabu der Banalität, spielt Schiffe versenken, packt Weihnachtsgeschenke ein u. ä. Er befindet sich damit übrigens bei der Philosophie eines Romano Guardini, der folgenden Gedanken schon vor Harald Schmidt hatte: „Jeder Denkende weiß, dass er immer wieder an Dinge kommt, die ganz einfach, ja banal erscheinen, deren scheinbare Banalität aber nur die Kehrseite ihrer Tiefe und Bedeutungsfülle ist.“ Humor benötigt für diese Denktätigkeit eine innere Freiheit. Klamauk, Kabarett etc. finden in einem solchen wertfreien Raum statt. Von daher können die Tabubrüche gar nicht so recht als Tabubruch verstanden werden. Ein Vergleich zu den Talkshows vergangener Tage zeigt, dass Humor oder Spaß ganz bewusst politisch eingesetzt wurde und eine Waffe war. Fritz Teufel von der Spaßguerilla verübte sein Tintenattentat in einer Talkshow eindeutig in politischer Intention. Diese Form des öffentlichen Spaßangriffes kennen wir heute nicht mehr.
Man könnte nun meinen, diese Form des Humors sei etwas für die junge Generation. In der von mir durchgeführten Befragung stellte sich heraus, dass die Einschätzung des Humors als wichtiger Faktor für das Arbeitsleben vom Alter unabhängig ist. Interessant ist ferner, dass diejenigen, die den Humor als hilfreich im Beruf einschätzen fast durchweg Comedy als ihre bevorzugte Form des Humors ankreuzten. 17% bevorzugen den absurden Humor, 36% den Schwarzen Humor, 13% Klaumauk, 74% Comedy, 32% den Galgenhumor und 57 % den Wortwitz (im Sinne von Wortspielen).
Aufgrund des Generationenwechsels scheint also durchaus eine Kultur und Atmosphäre etabliert zu sein, in der Unternehmen in welcher Form auch immer auf diese Humorisierung der Gesellschaft reagieren müssen.
Und selbst die Philosophen entdecken wie z. B. Wilhelm Schmid die Heiterkeit im Zusammenhang mit der Lebenskunst neu. Vielleicht beginnend mit Walter Benjamin und hinführend zu Odo Marquardt haben sich Philosophen nicht nur in einem völlig abstrakten Rahmen mit dem Humor beschäftigt. Walter Benjamin definiert das Lachen als Vorstufe des Denkens und Odo Marquardt setzt Denken und Lachen sogar gleich.

2. Globalisierung:
Die Angleichung der Kulturen, das Wissen um die Eigenarten anderer Völker, die Notwendigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen zu verhandeln, macht es nötig, eine „leichte“ und „ungefährliche“ Umgangsform zu finden. Humor (nicht unbedingt Witze) ist die Möglichkeit „Umgangsfehler“ zu entschärfen. Das Lächeln wird als eine universale Verständigungsmöglichkeit erkannt und ermöglicht das rasche Herstellen einer Vertrauensbasis. Auf der anderen Seite ermöglicht das Wissen um die Humorvorlieben des Partners aus einem anderen Land den schnellen Rapport und das Verständnis für Eigenarten in der Kommunikation. Der Psychologe Richard Wiseman initiierte eine groß angelegte Witzstudie, bei der er den witzigsten Witz der Welt ermitteln wollte. über 40.000 Witze wurden bewertet und es stellte sich z. B. heraus, welche unterschiedlichen Vorlieben für „lustig“ die Nationen haben. Menschen aus Irland, Großbritannien, Australien oder Neuseeland mögen Wortspiele. Amerikaner und Kanadier dagegen bevorzugen Witze, bei denen es um die Überlegenheit einer Person oder einer Gruppe geht.
Diese Forschungen zeigen auf, wie sehr Humor auch durch die Umgebung geprägt wird. Ein Unternehmen kann dies durch humorvolle Poster, Karikaturen an den Wänden usw. beeinflussen. Und umgekehrt können im Unternehmen kursierende Witze als Analyse der Atmosphäre dienen (so z. B. bei Neuberger). Bei einer Coachingsitzung beschwerte sich eine Abteilungsleiterin über die Karikaturen, die ihre Mitarbeiter an die Schränke klebten. Sie empfand dies als einen Angriff auf ihre Person und nahm die Karikaturen immer wieder ab. Ich empfahl ihr, sich die Karikaturen genauer anzuschauen und die Botschaften ihrer Mitarbeiter zu entschlüsseln. Meinen Vorschlag nahm die Abteilungsleiterin nicht an, sie wäre durch diese Karikaturen zu verletzt. Als ich ihr dann die Frage stellte, wie sie sich ihre Pensionierung wünsche, sie war nicht mehr allzu weit davon entfernt, hatte ich den wunden Punkt getroffen. Sie wollte bei ihren Mitarbeitern natürlich in guter Erinnerung bleiben. Doch wer als humorlos bzw. witzresistent gilt, hat kaum eine Chance, dass die Mitarbeiter gut über den ehemaligen Chef reden. Die Abteilungsleiterin jedenfalls lachte als Antwort auf meine Frage, wurde lockerer und fand zu ihren Mitarbeitern einen leichteren Zugang.

3. Frauen und Männer
Männer und Frauen sind anders, auch was ihre Humorvorlieben angeht. Wer den unterschiedlichen Humor der Geschlechter nicht beachtet, wird auf Widerstände stoßen.
Da Frauen mehr und mehr, wenn auch langsam, Führungspositionen bekleiden, wird sich auch der Humor in den Unternehmen verändern. Frauen sind offener oder haben es mehr als Männer gelernt, wie mit Humor eine konstruktive und harmonische Atmosphäre hergestellt werden kann. Z. B. ergab sich bei der von mir durchgeführten Befragung, dass Männer sich deutlich mehr als Frauen für den Schwarzen Humor und den Galgenhumor erwärmen können. Anderseits scheinen Männer tendenziell die möglichen negativen Wirkungen des Humors höher einzuschätzen. Und insbesondere befürchten Männer mehr als Frauen, dass Humor missbraucht werden kann, um Fehler und Missstände zu verniedlichen oder unter den Teppich zu kehren. Bei den positiven Wirkungen schützen Frauen wesentlich höher als Männer ein, dass Humor ein offenes und gleichberechtigtes Gesprächsklima fördert.

4. Flache Hierarchien
Witze in Unternehmen werden meist von oben nach unten gemacht (s. z. B. Kotthoff). Vorgesetzte erzählen einen Witz und die Untergebenen lachen. Nur wer bereits gekündigt hat, muss nicht mehr mitlachen. Will man jedoch flache Hierarchien etablieren, so sind die veränderten „Witze“ ein entscheidendes Indiz für tatsächlich vollzogene flache Hierarchien. Umgekehrt fördert und stärkt eine „gleichberechtigte“ Witzkultur flache Hierarchien. Bei der Befragung stellte sich heraus, dass bei den negativen Auswirkungen des Humors vor allem das mögliche Missverstehen und die daraus resultierende Verletzung (86%) des anderen als Gefahren gesehen werden.
Dagegen schätzen nur 13% der Befragten, dass Humor zu einer laissez-faire-Haltung führen könnte und lediglich 10%, dass Humor zu einem respektlosen Umgang miteinander führt. Humor wird in der Einschätzung also nicht mit einem chaotischen oder handlungsunfähigem Arbeitsteam gleichgesetzt. Vielmehr fördert Humor in der Einschätzung der Befragten den Teamgeist. So glauben z. B. 51% der Befragten, dass Humor den Teamgeist festigt und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt. 51% schätzen, dass Humor ein offenes und gleichberechtigtes Gesprächsklima schafft, 41%, dass Humor ein konstruktives Miteinander fördert.
Humor muss als ein wichtiger Katalysator für eine gute und konstruktive Teamatmosphäre angesehen werden. Ein Unternehmen, das den Humor fördert, unterstützt damit die konstruktive Zusammenarbeit. Allerdings korreliert Humor nicht mit der Identifikation mit dem Unternehmen. Nur 8% der Befragten glauben, dass Humor die corporate identity fördert. Ein humorvolles Unternehmen bindet demnach nicht durch den Humor die Mitarbeiter an sich. Humor muss Ausdruck der Unternehmensphilosophie und in ein Gesamtkonzept eingebunden sein. Die Mitarbeiter wollen sich vor allem mit dem Team identifizieren können und die Führungskräfte sollten nicht irritiert sein, wenn für die Mitarbeiter das Unternehmen nicht an der ersten Stelle steht.

5. Der Humor in Deutschland
Der deutsche Humor hat sich nachweislich geändert und ist nicht mehr so belehrend, didaktisch oder schrecklich tiefgehend. Auch die Trendanalytiker stellen eine größere Lustigkeit fest, so diagnostiziert Norbert Bolz: „Deutschland wird laxer, lustiger, lockerer.“
Er dient weniger als Ventil oder Entschädigung für so viel Ernst und Anstrengung. Der Humor ist ein Katalysator für Spaß, Motivation und Erfolg. Bei der zunehmenden Arbeitsdichte kann mit Humor die Arbeit zum Spaß werden. Umgekehrt wird Arbeit ohne Spaß als Belastung erlebt und föhrt zu typischen Stresssymptomen. In der oben schon erwähnten Witzstudie von Richard Wiseman erwiesen sich die deutschen Teilnehmer als die witzigsten. Genauer müsste man sagen, die Deutschen fanden die meisten Witze witzig. Die Begründung scheint in dem unspezifischen Humor der Deutschen zu liegen.

6. Die Humorforschung
Sie hat wichtige Erkenntnisse vor allem über die positive Wirkung beim Stress erbracht. Es ist unbestritten, dass Lachen die Immunabwehr stärkt. Ferner gibt es Erkenntnisse über die positiven Auswirkungen auf die Kreativität. Etwas schwieriger nachzuweisen sind die Beziehungen von Humor und Konfliktlösung, da man von sehr komplexen Zusammenhängen ausgehen muss. Der Einfluss vom Humor im Sinne einer optimistischen Weltsicht auf den Erfolg ist offensichtlich, auch wenn die genauen Zusammenhänge und Wechselbeziehungen nur schwer zu differenzieren sind.
Wichtige Ergebnisse hat die Forschung vom Bodyfeedback erbracht. Mit Bodyfeedback meint man die Wirkzusammenhänge von Körperhaltung/ ausdruck und Gefühlen. Man fand heraus, dass ein lächelnder Gesichtsausdruck dem Gehirn eine positive, offene Stimmung meldet. Dies wiederum stimmt das Gehirn auf die Verarbeitung positiver Inhalte ein. (Psychologie heute 2/2003). Lächelnde Menschen erwiesen sich in Experimenten als innovativer und einfallsreicher. Ferner erleben lächelnde Personen ihre Arbeit als nicht so beschwerlich wie stirnrunzelnde Kollegen. Bei der vom Autor durchgeführten Befragung gaben 33% an, dass Humor sehr wichtig und 52% wichtig beim Umgang mit Stress ist. Lediglich 15 % halten den Humor für weniger wichtig im Umgang mit Stress und niemand hält ihn für verzichtbar.

7. Changemanagement und Perspektivenwechsel
Jede Epoche und jede Gesellschaft kennt Formen des Narrentums, die auf starre Strukturen hinweisen und Veränderungen provozieren. Gerade bei schwierigen Entscheidungen ist der Perspektivenwechsel durch „Narretei“ sinnvoll, um von sicher geglaubten Einstellungen und Bedingungen Abschied nehmen zu können. In einer wirtschaftlichen Situation, die eine ständige Neuorientierung und hohe Flexibilität erfordert, trägt der Humor zu einer positiven Haltung gegenüber stetigen Veränderungen bei. Die Zufriedenheit der meisten Arbeitnehmer ist jedoch nicht sonderlich hoch, was darauf schließen lässt, dass die meisten Unternehmen die Ressource Humor noch nicht aufgegriffen haben. Zahlreiche Untersuchungen müssten die Verantwortlichen eigentlich zum Handeln zwingen. Nach einer Studie der Gallup-Organization entsteht durch die Unzufriedenheit von Arbeitnehmern und dem daraus folgenden Nicht-Engagement ein gesamtwirtschaftlicher Schaden, der von den Forschern auf 220 Milliarden Euro im Jahr berechnet wurde. Die Gründe für das fehlende Engagement wurden aufgrund von Befragungen durch die Gallup-Forscher ermittelt, danach scheinen folgende Faktoren ausschlaggebend zu sein:

  • Die Mitarbeiter wissen nicht, was von ihnen erwartet wird
  • Die Vorgesetzten interessieren sich nicht für die Mitarbeiter als Menschen
  • Die ausgefüllte Position liegt den Mitarbeitern nicht
  • Die Meinungen und Ansichten der Mitarbeiter werden nur wenig beachtet
  • Die Vorgesetzten sind autoritär

Die Folgen für ein Unternehmen sind nach den Gallup-Forschern folgende:

  • Hohe Krankmeldungen
  • Hohe Fluktuation der Mitarbeiter
  • Geringe Identifikation mit dem Unternehmen
  • Wenig Spaß an der Arbeit
  • Schlechtes Verhalten den Kollegen gegenüber
  • Geringe Produktivität

Würde sich nun ein einzelner Arbeitnehmer denken „Ach egal, ich will Spaß!“, so erging es ihm für eine Weile sicherlich besser. Da die Unzufriedenheit, der fehlende Spaß, die ernste Stimmung strukturell bedingt ist, verschärft sein „Lustigsein“ die schlechten Bedingungen, möglicherweise nicht für ihn selbst, die anderen hätten jedoch noch mehr zu leiden, da ein lustiger Kollege mehr an sich abprellen lässt und den anderen als Solidaritätspartner nicht geheuer ist. Es kommt häufig zum Vorwurf der Arroganz. Wenn also Humor zu etwas nütze sein soll, dann indem strukturell der Humor als Vorgehensweise eingesetzt wird. Es geht darum, Fakten zu schaffen. Der Humor hat dabei zwei Vorteile. Erstens können die eigenen Ansprüche, Ziele und Erwartungen auf ein recht niedriges Niveau gestellt werden. Dies hat den Vorteil, dass tatsächlich etwas Nachvollziehbares passiert. Wenn ich nur kleine und vor allem konkrete Ziele habe, dann empfinde ich subjektiv häufiger einen Erfolg, als wenn ich riesige Ziele habe. Habe ich Erfolg im Kleinen, dann verändert sich das subjektive Gefühl auf die Verhältnisse einwirken zu können. Bei einem Humorworkshop berichteten die Erzieherinnen eines Kindergartens von einer Mutter, die jeden Morgen durch ihr Kritisieren und Nörgeln die Stimmung der Mitarbeiter stark negativ beeinflusste. Sie wussten sich keinen Rat mehr und kamen schon jeden Morgen mit Angst zum Kindergarten. Ich erzählte ihnen von einer Bank, in der ich einen DINA4-Zettel am Schalter gesehen hatte, darauf stand: Freundlichkeit ist wie ein Bumerang, er kehrt zurück. Die Erzieherinnen waren begeistert von dieser Idee und machten sich gleich daran, auf die Glastür diesen Spruch zu schreiben. Wenige Tage später mailte mir die Leiterin die Erfolgsnachricht. Die nörgelnde Mutter hatte diesen Spruch wohl gesehen und verstanden. Die Atmosphäre hatte sich fast schlagartig geändert.
Zweitens hat der Humor den Vorteil, dass kleine Veränderungen wie eine Überraschung wirken, die Veränderung wird erst belächelt oder belacht, doch weil es nicht so ernst ist, ist es mit der Veränderung spaßig ernst geworden. Niemand fühlt sich angegriffen, beleidigt, übervorteilt usw. Manchmal bemerken die anderen gar nicht, dass sich etwas geändert hat. Zurück bleibt lediglich die Erinnerung an die humorvolle Überraschung.

8. Unternehmenskultur und Lebenskunst

„Es ist schlimm, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem es keinen Humor gibt. Aber noch schlimmer ist es, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem man Humor braucht.“ Dieses ein wenig veränderte Zitat von Bertolt Brecht könnte zum Irrtum verleiten, man beschäftige sich in den Unternehmen besser nicht mit dem Humor. Denn wer das tut, stehe schnell im Verdacht, dass man es nötig hätte. Umgekehrt lässt sich aus dem Brechtzitat folgern: Es ist schön in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem es Humor gibt. Und noch schöner ist es, wenn dieser Humor der Unternehmenskultur entspricht. So könnten Unternehmen, die sich dem Humor zuwenden, nach außen deutlich zeigen, wie positiv das Betriebsklima und wie hoffnungsvoll-optimistisch die Zukunft des Unternehmens ist. Eva Rosenberg, eine in Amerika sehr bekannte Steuerberaterin nutzt den Humor und das Lachen selbst in aussichtslosen, traurigen und unangenehmen Fällen. Bei dieser Steuerberaterin sollen die Mandanten das Büro mit Tränen in den Augen verlassen, wenn sie große Rückzahlungen zu leisten haben. Diese Tränen sind allerdings Lachtränen. Die Mandanten können durch den Humor ihrer Steuerberaterin leichter und freier gehen. Eva Rosenberg hat mit ihrer humorvollen Art großen Erfolg. Wo lediglich durch einige „lustige“ Veranstaltungen oder dem einzelnen Auftritt eines Clowns bei der Betriebsversammlung Humorimport betrieben wird, kann es nur schlimmer werden. Humor lässt sich nicht verordnen und auch nicht importieren. Und wie sagte schon Freiherr von Knigge: „Wahrer Humor und echter Witz lassen sich nicht erzwingen.“
Die Situation vieler Firmen ist von einer großen Unsicherheit geprägt (Fusionen, Übernahmen, Insolvenzen, Undurchsichtigkeiten etc.). Dieser „Ohnmacht“ begegnen viele Menschen mit Zynismus, der jedoch weder dem eigenen Wohlbefinden dient noch konstruktiv im Sinne des Unternehmens ist. Ironie als skeptisch-optimistische Haltung ist hier die bessere Alternative. Vor allem in der Philosophie der Lebenskunst (z. B. Wilhelm Schmid) kommt der Ironie eine entscheidende Bedeutung zu und kann auch für die Unternehmenskultur nutzbar gemacht werden. Eine insgesamt humorvolle Unternehmenskultur stellt für die Beschäftigten wie auch für die Kunden einen emotionalen Mehrwert dar. Es wird eine vertrauensvolle Kundenbindung hergestellt und eine übermäßige Fluktuation der Mitarbeiter verhindert.
Einen interessanten Zusammenhang stellten Wissenschaftler bei den Essgewohnheiten fest. Lange Zeit galt es als erwiesen, dass Süßes bevorzugt als „Frustessen“ genutzt wird. Forscher an der Universität Würzburg fanden jedoch heraus, dass den Versuchspersonen Schokolade besser schmeckte, wenn sie fröhlich waren. Denn Freude verbessert die Reizverarbeitung. Für Unternehmen übertragen bedeutet dies, dass Mitarbeiter, die fröhlich sind, positive Begebenheiten wie auch Erfolge besser genießen können. (Psychologie heute, 2/2003)
Unser Denken scheint zu sehr auf die Mittel oder Managementmethoden gerichtet zu sein. „Wir haben dem Patienten geholfen. Aber wir wissen nicht so recht, warum und wodurch.“ Dieser Satz stammt von Asmus Finzen, der sich mit der Frage auseinandersetzt, warum Patienten trotz der Ärzte, Psychiater und Psychotherapeuten gesund werden. Seiner Meinung nach werden die „Instrumente“ und die Wirksamkeit der therapeutischen Methoden völlig überschätzt. Dagegen wird der therapeutische Rahmen unterschätzt. Und hier wird die Bedeutung des Humors besonders deutlich. Aus der Psychotherapieforschung ist mittlerweile bekannt, dass folgende Faktoren für den Erfolg einer Therapie eine wichtige Bedeutung haben (s. Finzen):

  • eine vertrauensvolle Beziehung mit einer helfenden Person
  • ein Rahmen, der Sicherheit und Geborgenheit vermittelt
  • ein plausibles Konzept, dass Symptome, Genese, und Therapie erklärt
  • ein Ritual, das beide als Partner einbezieht

Nun ist die Arbeitswelt keine psychotherapeutische oder medizinische Angelegenheit. Der Vergleich mit der Medizin und Psychotherapie kann verdeutlichen, wie wichtig das Drumherum für Veränderungen ist. Schnell werden Konzepte entwickelt, die die Qualität verbessern, Teambuilding unterstützen sollen etc. Dabei ist nur sehr wenig darüber bekannt, welche Methoden tatsächlich wirksam sind. Es gibt sogar Wissenschaftler, die behaupten, dass keine der bekannten Managementmethoden nachweislich erfolgreich ist. Man kann eben nicht den Anspruch erheben, Mechanismen der Veränderung genau zu kennen. Doch lassen sich recht schnell Situationen schaffen, in denen Faktoren der Veränderung wirksam werden k önnen. So fördert Humor das Vertrauen, Humor schafft Geborgenheit und Sicherheit. Bei Stefan F. Gross heißt es gar „Unterhaltungen ohne Humor grenzen an Körperverletzung.“ Humor bietet ebenso ein plausibles Konzept, da Witze und Humor zunächst einmal vereinfachen. Und Humor ist ein Ritual, da z. B. das Erzählen von Witzen die Einhaltung bestimmter Regeln auf beiden Seiten nötig macht.
Diese Einschätzung der Wirkungsweisen des Humors legt es nahe, soziale Kompetenz in einem sehr engen Wechselverhältnis mit dem Humor zu betrachten. Wer humorvoll ist, kann auch als sozial kompetent bezeichnet werden. Und ein Unternehmen, das den Humor fördert, stellt den Mitarbeitern die notwendigen Rahmenbedingungen zur Entfaltung der sozialen Kompetenz zur Verfügung. Vor allem werden durch eine humorvolle Atmosphäre die so genannten Demotivatoren verringert bzw. nicht beeinflussbare Faktoren als erträglicher wahrgenommen. Die Aufgabe der Unternehmen ist es zusammenfassend also, Bedingungen zu schaffen, die es dem einzelnen erleichtern, sein Humorpotenzial zu nutzen.

9. Emotionalisierung

Die unsicheren äußeren Bedingungen, die Komplexität und Unübersichtlichkeit werfen die Menschen auf sich selbst zurück. Viele Vorgänge, Anweisungen und Vorschriften in einem Unternehmen werden emotional aufgeladen. Gefühlsmüßige Widerstände, Ängste, Scham und Wut können nicht sachlich durch Verständnis oder Analysen geklärt werden.
Die Menschen suchen zuallererst ein emotionales Gleichgewicht. Der Humor ist eine sanfte Methode, um anderen Wahrheiten zu sagen, durch Selbstironie das Selbstbewusstsein zu stärken und auf diese Weise Emotionalität und Sachlichkeit miteinander zu vereinbaren. Der Humor bzw. Humorvorlieben lassen Voraussagen über das Verhalten eines Menschen zu. So scheinen z. B. Menschen, die komplexere Witze mögen, eine besondere Gabe zu haben, Schätzungen vorzunehmen. Wissenschaftler fragten Testpersonen nach der Anzahl der Wörter auf einer Taschenbuchseite. Man fand heraus, dass gute Schätzer komplexere Witze bevorzugen. (Gehirn & Geist 1/2003) Diese Tatsache steht in einem interessanten Zusammenhang zur Ausgangslage. Spaß in landläufigem Sinne stehe im Widerspruch zum Humor. Norbert Elias hat eine unvollendete Schrift über den Humor hinterlassen, in der er den Humor als Grundlage des Zivilisationsprozesses beschreibt. Michael Schröter definiert diesen Essay gar als Wende der Eliasschen Zivilisationstheorie. Er schreibt, Elias wollte das Potential zur Errichtung von Selbstzwängen als Teil der natürlichen Mitgift der Menschen (und dazu gehört das Lachen, d. A.) und als eine Voraussetzung ihres Zusammenlebens in Gruppen erweisen.“ Disziplin und Humor sind keine Gegensätze, vielmehr ist Humor eine Voraussetzung für Disziplin. In der schon erwähnten von mir durchgeführten Befragung ergab sich, dass Teilnehmer, die den Humor als Erfolgsfaktor ansehen, bei der Frage welche Faktoren für den beruflichen Erfolg besonders hoch eingeschätzt werden, zwar Disziplin nicht in jedem Fall angekreuzt wurde, doch fand sich fast bei allen persönliche Reife als Erfolgsfaktor. Da Disziplin vielleicht eher negativ besetzt ist, weist die hohe Bewertung der persönlichen Reife in die gleiche Richtung, die Norbert Elias angenommen hat.

10. Und Überhaupt

Selbst wenn der ökonomische Gewinn des Humors im Unternehmen quantitativ nur sehr schwer oder kaum zu erfassen ist, hat es mit Humor mehr Spaß gemacht. Humor macht die Arbeit nicht leichter, aber lebendiger und freudvoller. Dass Humor und Lachen stressreduzierend sind, haben zahlreiche gelotologische Befunde nachweisen können. Ein Lachen lindert die Folgen einer Belastung. Darüber hinaus kann gefragt werden: Ist der Humor eine geeignete Strategie, um Stress erst gar nicht aufkommen zu lassen? Man stelle sich den Arbeitnehmer vor, der brav sofort nach dem Aufstehen mit seinen Humorübungen beginnt. Er stellt sich auf einen amüsanten Tag ein, freut sich des Lebens und kommt an seinen Arbeitsplatz. Schon immer hatte er mit einem bestimmten Kollegen Stress, weil dieser es verstand, die Arbeit an sich vorbei ziehen zu lassen, damit die anderen Kollegen sich durch ein hohes Arbeitspensum beweisen können. So ein Verhalten nervt. Unser Arbeitnehmer hat sich darüber schon häufig aufgeregt und seinen Vorgesetzten angemahnt etwas zu unternehmen. Doch es passierte nichts. Frohgelaunt schafft es unser Arbeitnehmer noch bis zu seinem Arbeitsplatz, doch kaum sieht er seinen Kollegen, steigt in ihm der Ärger hoch. Nennen wir unseren Arbeitnehmer nun Karl. Karl hat bei seinen Humorübungen zur Absurdität des menschlichen Alltags seine Wahrnehmung geschärft. Ihm fallen einfach Dinge auf, die ihm sonst nicht auffielen. Z. B. beobachtet er den Kollegen beim Einparken seines Autos. Er führt einen gut gepflegten sagen wir mal Mercedes. Dieser Kollege parkt immer rückwärts ein. Wenn er dann aussteigt, schließt er ab, geht noch einmal zu seinem Auto und kontrolliert, ob auch tatsächlich abgeschlossen ist. Danach schaut er seinen gut gepflegten Wagen noch einmal an, geht zur Eingangstür und schaut sich erneut um, so als wolle er seinem Auto versichern, dass er gleich wieder da ist. Karl hat diese Zeremonie nicht nur ein Mal beobachtet. Nein jeden Morgen amüsiert er sich über diese fast schon theaterreife Aufführung seines Kollegen. Mit diesem Schauspiel im Kopf begegnet er jetzt seinem Kollegen. Ein innerliches Schmunzeln setzt sich bis in seine Gesichtsmimik fort. Er lächelt. Sein Kollege fasst dieses Lächeln als Freundlichkeit auf. Man kommt ins Gespräch und Karl füllt wie zufällig ein Manta-Witz ein, den er zum Besten gibt. Beide lachen herzhaft. Und Karl bittet anschließend seinen Kollegen um einen kleinen Gefallen. Karl hatte sich diese Strategie einfach als Spiel ausgedacht. Doch Karl ist völlig überrascht, sein Kollege geht auf ihn ein und tut ihm diesen Gefallen. Im Laufe des Tages denkt Karl nicht weiter an diesen Vorfall. Als er am nächsten Tag zur Arbeit kommt, begegnet ihm sein Kollege und winkt ihn zu sich: Kennst du schon den? Es folgt ein ausnahmsweise guter Manta-Witz. Tja, Karl bittet seinen Kollegen schon wieder um einen Gefallen, der prompt erfüllt wird. Nach einigen Tagen oder vielleicht auch Wochen arbeiten beide Hand in Hand. Karls Kollege ist zwar etwas langsamer, doch dafür entschädigt er Karl mit einem täglichen Witz. Wer sich mit Humor beschäftigt, der schult seine Wahrnehmung. Die Aufmerksamkeit wird auf die amüsanten Seiten der Wirklichkeit gerichtet und durch assoziatives Denken behält man auch mehr humorvolle Bemerkungen und Witze, die man in einer geeigneten Situation erzählen kann. Belastende Situationen bleiben nach wie vor belastend, doch durch den zusätzlichen Aspekt der amüsanten Seite erhölt man eine positive Zufuhr, mit der man diese Situation besser bewältigen kann. Man gewinnt Spaß daran, sich selbst zu beobachten. In einem Interview (Süddeutsche Zeitung vom 18.12.2002) erzählt der Musiker und Humormensch Helge Schneider „Geplante Sachen sind manchmal auch lustig. Aber wenn etwas nicht geplant ist, dann bedeutet das für mich noch mehr weil es dann nämlich für mich selbst auch im Entstehen ein Erlebnis ist.“ Dieses Erlebnis zu genießen ist ein Selbstzweck, der von der zielgerichteten und zweckgebundenen Tätigkeit im Arbeitsleben entlastet. Man beginnt sich über die eigenen Kreationsprozesse zu freuen und dann ist wie Helge Schneider in dem besagten Interview sagt Lustigsein überhaupt nicht anstrengend, weil man ja lustig ist. Mit dieser Unbeschwertheit und Leichtigkeit kann man dann auch andere Aufgaben anfassen und wundert sich, wie leicht sie von der Hand gehen.

Quintessenz: Humor in Unternehmen bedeutet die Schaffung eines Arbeitsplatzes, der dem einzelnen Mitarbeiter genügend Freiraum gibt, sein Humorpotenzial zu entfalten, klar abgesteckte Grenzen vorgibt, damit der Mitarbeiter sich auf seine Arbeit konzentriert und auch dann noch „Spaß“ fördert, wenn die Arbeit mal nicht so erquicklich ist.
Wer immer arbeitet wie ein Pferd, fleißig ist wie eine Biene, abends müde ist wie ein Hund, der sollte zum Tierarzt gehen vielleicht ist er ein Kamel.

Literatur

Bolz, N. (1999): Die Konformisten des Anderssein. Ende der Kritik. München: Fink.
Bolz, N. (2002): Das konsumistische Manifest. München: Fink.
Bopp, J. (2001): Anzüglich. Selbstironie ist die Tugend derjenigen, die über Toleranz verfügen. Publik Forum 2001 Nr. 4, S. 61.
Finzen, A. (2002): Warum werden unsere Kranken eigentlich wieder gesund?: Räsonieren über das Heilen. Bonn: Psychiatrie-Verlag.
Gross, S. F. (1997): Beziehungsintelligenz: Talent und Brillanz im Umgang mit Menschen. Landsberg/Lech: Moderne Industrie.
Guardini, R. (1999): Die Annahme seiner Selbst. Den Menschen kennt nur, wer von Gott weiß. 6. Aufl. Mainz: Matthias Grünewald.
Holtbernd, T. (2002): Der Humorfaktor. Mit Lachen und Humor das Leben erfolgreich meistern. Paderborn: Junfermann.
Holtbernd, T. (2003): Führungsfaktor Humor. Wie Sie und Ihr Unternehmen davon profitieren können. Frankfurt/Wien: Ueberreuter.
Holtbernd, T. (2002): Humor als Führungsinstrument. In: Obermann, C., Schiel F., (Hrsg.). Trainingspraxis Bd. 2. Frankfurt am Main: Schaeffer-Poeschel, S. 151-165.
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