Der Kassenclown
Die Weihnachtseinkaufsrallye naht und damit das Gedränge in Kaufhäusern und Supermärkten. Unausweichlich, dass bei der Jagd nach Geschenken, Weihnachtsgänsen und Deluxe-Lebensmitteln außer viel Geld auch viel Zeit draufgeht. Das betrifft alle jene, die nicht online shoppen, sondern sich noch persönlich in Läden begeben.
Da Zeit, nicht nur bei Rentnern, ein knappes Gut ist, stellt sich die Frage nach der Optimierung der Einkäufe, allerdings nicht im Sinne von Schnäppchen- und Sparfuchsaktionen. Es geht stattdessen darum, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel von dem einzukaufen, was man braucht. Und hier fehlt leider der ultimative Ratgeber, wie sich Burnout-Symptome durch Überforderung und extremen Zeitverlust beim Einkauf in vollen Läden vermeiden lassen. Dem soll hiermit abgeholfen werden. Nun denn, Psychologen arbeiten gern mit Typologien, deshalb hier zunächst mal eine Grundkategorisierung.
Der Einzelkäufer und die Einzelkäuferin.
Die beiden sind auf sich allein gestellt, sowohl beim Auswählen der Ware wie auch beim zeitökonomisch besonders interessanten Bezahlvorgang an der Kasse. Der Vorteil liegt natürlich beim zunächst konfliktfreien Befüllen des Einkaufswagens, das heißt, er oder sie spart deutlich Zeit durch Verzicht auf Diskussionen, was man braucht, wie viel davon, ob Bio oder billig, etc. Auch der leidige Hinweis auf das ‚haben wir doch noch‘, das wollten wir doch nicht mehr oder Ähnliches, der sich durchaus verzögernd und damit zeitraubend auswirkt, unterbleibt, wenn man allein und eigenverantwortlich vor den Regalen und Auslagen steht. Hat der Einzelkäufer dann relativ rasch das Gewünschte im Korb, nähert er sich zwangsläufig dem Kassenareal. Und jetzt wird es aufregend. An welcher Kasse geht es am schnellsten? Das ist die jedes Mal neu zu beantwortende Frage am Ende des Kaufvorgangs. Der Einzelkäufer ist jetzt ganz auf seine gute Wahrnehmungs- und Analysefähigkeit angewiesen. Ein prüfender Blick in die Körbe der anderen Kunden, eine rasche Beurteilung des persönlichen Tempos dieser Kunden und der Kassiererin (sind meistens Frauen!) mit einer Hochrechnung, wie das beides zusammengeht. Basiswissen, dass Kassen zu meiden sind, an denen sich eine Reihe von Senioren anschickt, mit Kreditkarte zu bezahlen oder sich überhaupt verlangsamt bewegt, ist grundsätzlich.
Dass allerdings eine junge Frau ihren Blumenkohl nicht abgewogen oder doch das Shirt in der falschen Größe erwischt hat, ist ein nicht vorhersagbares Ereignis, das die ganze analytische Arbeit in Frage stellen kann. Auch nicht ausgezeichnete Ware kann an der Kasse zu ungeahnten Staus führen, da manche uneinsichtige Kunden darauf beharren, genau diese Ware haben zu wollen, im Unterschied zu den sympathischeren Zeitgenossen, die dann vor der Kassiererin großzügig darauf verzichten, dass diese zeitaufwändig den richtigen Preis feststellt. Eine wahre Katastrophe, wenn sich die Kassiererin von ihrem Platz erhebt und erst mal in den Verkaufsbereich läuft, um sich die nötigen Informationen zu beschaffen. Auch die hartnäckigen Kunden, die auf einem Sonderangebot beharren und damit die Kassiererin verwirren, die davon noch nichts weiß, können die ganzen zeitlichen Optimierungsabläufe durcheinanderbringen.
Der Einzelkäufer und die Einzelkäuferin sind also gut beraten, wenn sie zusätzlich zum Basiswissen und der analytischen Einschätzung an den Kassen ihre Intuition walten lassen, also die gefühlte Sicherheit von ‚hier stehe ich richtig an‘. Es verbietet sich als Einzelkäufer das Kassenhopping, das meist dazu führt, dass die eingangs gewählte und dann spontan wieder verlassene Kasse doch die schnellere gewesen wäre. Außer dem eigenen Frust über die Fehlentscheidung erntet man noch die schadenfrohen Blicke der anderen Kunden, die brav an ihrer Kasse in der Reihe geblieben sind.
Die Paareinkäufer
Die Einkäufer, die paarweise auftreten, verlieren Zeit durch die schon erwähnten verbalen Zeitfresser beim Aussuchen der Kaufobjekte. Dafür können sie aber unmittelbar an den Kassen durch ihre Doppelbesetzung punkten. Die Grundstrategie (auch gut anwendbar beim Einchecken am Flughafen) besteht darin, sich auf jeden Fall an zwei Kassen anzustellen. Einer hat die Ware dabei, der oder die andere steht prophylaktisch ohne Eingekauftes in einer anderen Reihe. Wenn absehbar ist, welche Reihe schneller vorankommt, gibt es einen raschen Wechsel zu der besseren Position. Ungeübte Kassenwechsler schaffen manchmal Unmut bei anderen Kunden, denen bei dieser schnell zu vollziehenden Aktion der Einkaufswagen gegen die Beine oder in die Fersen gerammt wird. Aber das sind Kollateralschäden bei der Zeitoptimierung. Es empfiehlt sich für solche Fälle, Entschuldigungen oder lustige Sprüche bereit zu halten. Eine andere Strategie der Paareinkäufer besteht im Befüllen des Wagens bzw. dem Heranschaffen der Kaufobjekte durch den einen, während der andere schon als Platzhalter an einer Kasse steht. Es versteht sich von selbst, dass der oder die Flinkere und mit der Warenplatzierung im Laden besser Vertraute die Laufarbeit übernimmt. Es soll Paare geben, die es hier zur Meisterschaft bringen und kaum Wartezeit an den
Kassen verbringen. In diesem Fall entfällt auch die anstrengende Analyse der Kassensituation wie beim Einzelkäufer. Man braucht ja ohnehin noch etwas Zeit, um den Wagen zu füllen! Diese Strategie ist nur etwas für die robusteren Gemüter, denen die strafenden Blicke und gelegentlich auch vorwurfsvollen Bemerkungen der anderen Wartenden nichts ausmachen.
Einkaufen mit Kindern
Wer Zeit beim Einkaufen sparen will, sollte auf das Mitführen von Kindern jedweden Alters grundsätzlich verzichten. Dass man mit Kindern bei irgendeiner Tätigkeit schneller ist als ohne, ist äußerst unwahrscheinlich. Das gilt natürlich auch für den Einkaufsprozess. Eltern haben aber den Vorteil von höherer Frustrationstoleranz, sind mit Verzögerungen jeder Art vertraut, verfügen über eine größere Flexibilität, leben damit, sowieso zu wenig Zeit zu haben und daran auch nichts ändern zu können. Das heißt, sie sind prädestiniert dafür, sich auch beim Shoppen mit den Gegebenheiten abzufinden. Die stillen und ruhigen Momente des Wartens an Kassen erleben sie oft als angenehme Pausen, sofern sie ihre Kinder im Griff haben und diese nicht versuchen, sich aus dem Wagen zu stürzen, wenn sie noch klein sind, oder die damit nerven, irgendetwas haben zu wollen, was aber nicht eingekauft wurde oder was es erst später geben soll. Ansonsten führt Einkaufen mit Kindern regelmäßig zu erhöhtem Stress, besonders in vollen Läden, wenn die Übersicht verloren geht und das Kind nicht mehr auffindbar ist. Hier empfiehlt sich doch die Online-Variante des Einkaufens, sofern das möglich ist.
Die Zeitoptimierer wissen, dass leere Läden (z. B. morgens kurz nach dem Öffnen) grundsätzlich Wartezeiten an den Kassen verkürzen. Da ist das Personal an den Kassen auch noch frisch, ausgeruht und in besserer Laune. Später muss man sich auf Leistungsknicks und sogar Mängel an Kundenorientierter Freundlichkeit einstellen. Es gibt Leute, habe ich mir sagen lassen, denen es völlig egal ist, wie lange sie an Kassen warten müssen. Die sollen sogar diese Zeit nutzen, um sich zu entspannen und andere Wartende mit freundlichem Lächeln zu erfreuen. Das soll angeblich gut für die Gesundheit sein, die eigene und die der anderen. Nun soll es sogar ein neues Berufsbild geben: den Kassenclown. Erste Pilotprojekte sollen schon angelaufen sein. Die Kassiererinnen tragen während ihrer Tätigkeit an der Kasse Clownsnasen und versuchen von Fall zu Fall die Ware besonders langsam über den Scanner zu ziehen. Dabei geben sie komische Laute von sich. Manche haben kleine Jongliereinlagen einstudiert und können bis zu 4 Kiwis oder Mandarinen gleichzeitig in der Luft halten. Andere haben Pfeifen und Trommeln an der Kasse, die sie von Zeit zu Zeit benutzen. Man berichtet, dass sich an solchen Kassen die Kunden drängen und lange anstehen, um ebenfalls vom Kassenclown abkassiert zu werden. Auch soll die Kundenzufriedenheit enorm gestiegen sein trotz längerer Wartezeiten. Die wissenschaftliche Auswertung des Projekts steht noch aus, aber es scheint sich abzuzeichnen, dass Zeitoptimierung nach Einführung des Kassenclowns kein Thema mehr ist. Auch die Aggressivität unter den wartenden Kunden habe deutlich nachgelassen. Der Umgangston habe sich verbessert. Es soll sogar einzelne Kassiererinnen geben, denen ihr Job neuerdings wieder Spaß macht.
HCDA ist selbstverständlich dabei, entsprechende Angebote für die Fortbildung zum Kassenclown auszuarbeiten. Wir werden euch auf dem Laufenden halten.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen eine schöne Adventszeit und entspannte Weihnachtseinkäufe.
Brigitte Titze