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Humorglosse Nr. 23

Autoren: Heidi-Magdalena Hirsch

Lachen mit dem Klo-Mann oder wenn schwäbischer Geiz auf italienisches Temperament trifft!

Den Urlaub verbringen wir meistens in Südtirol. Ich habe mich in diesen Landstreifen einfach verliebt und fühle mich dort pudelwohl. Ja, hier ist sozusagen meine zweite Heimat. Zum einen ist es die schöne Landschaft, die mir so gefällt, die netten und gastfreundlichen Menschen, und zum anderen mag ich Südtirol, weil dort noch einige Dinge so sind, wie sie es in meiner Kindheit waren. Das ist zum Beispiel die Art und Weise, wie dort mit Lebensmitteln umgegangen wird. Und das ist auch die Bodenständigkeit der Menschen, die so natürlich sind. Man wird gegrüßt, obwohl man fremd ist. Deshalb fahren wir jedes Jahr nach Südtirol. Anfangs fuhren mit unseren Motorrädern, voll bepackt mit Packsäcken, Satteltaschen und einem Rucksack. Wir hatten alles dabei: Zelt, Luftmatratzen, Schlafsäcke, Tisch, Stühle, Kocher. Unsere Zeltnachbarn konnten es nicht glauben, dass wir all das so klein auf klein verstauen konnten. Einmal hatten wir Zeltnachbarn aus der Schweiz. Wir verbrachten ein paar Tage im Örtchen Lana und wollten dann weiterfahren. Wir kamen bald ins Gespräch und saßen abends zusammen. Am nächsten Tag sollte es für uns weitergehen. Die Schweizer fragten, wo wir denn die ganzen Sachen unterbringen wollten, und wir erklärten ihnen, dass wir zwei Packsäcke haben und die Satteltaschen. Sie konnten es nicht glauben. Wir boten ihnen an, uns am nächsten Morgen um sechs Uhr zuzusehen, wie wir packen. Und tatsächlich. Als wir anfingen, das Zelt abzubauen, die Luft aus den Luftmatratzen zu lassen, standen die Schweizer vor ihrem Zelt, schauten uns zu und fingen schließlich an zu lachen! Wir haben es nicht geglaubt, dass sie das tun würden. Daraufhin tauschten wir die Adressen aus und waren danach noch zehn Jahre in Kontakt miteinander.

Ab 2007 konnte ich nicht mehr Motorrad fahren. Ich hatte eine fortgeschrittene Arthrose zu verkraften, und es fiel mir immer schwerer, die Kupplung beim Motorrad zu halten. Auch in den Knien hatte ich wegen der lang anhaltenden Sitzhaltung immer häufiger Schmerzen. Und so entschieden wir, künftig nicht mehr zu zelten, sondern eine Ferienwohnung zu mieten.

Auch dieses Jahr waren wir wieder im schönen Südtirol. Allerdings mussten wir uns eine neue Ferienwohnung suchen, weil der Hausherr der bisherigen Wohnung verstorben ist und seine Frau alleine nicht weitermachen konnte. Und wir wurden auch schnell fündig. Eine Ortschaft weiter in Tschars, zu Kastellbell gehörend, fanden wir eine wirklich schöne, erst drei Jahre alte Ferienwohnung. Ganz am oberen Ortsrand mit Sicht über das Tal und Tschars. Die nächsten Tage waren ausgefüllt mit Wanderungen, Museum- und Schlossbesuchen. Und am letzten Tag, dem Freitag, beschlossen wir nach vielen Jahren, wieder einmal nach Bozen zu fahren. Zuletzt waren wir 1999 dort. Es hatte sich viel verändert. Der Walter-Platz war damals gerade im Bau. Nun war er ein schöner Touristenmagnet. Wir setzten uns an seinem Rande in ein Eis-Café und sahen den Leuten zu. Gegenüber steht die Nikolauskirche. Protzig ragte ihr großer Turm in den blauen Himmel. Wir gingen hinüber und in die Kirche hinein. So eine große Kirche hatte ich lange nicht mehr gesehen. Auch nicht eine so schöne. Auch mein Mann war sehr angetan. Wir schlenderten dann noch ein bisschen in der Altstadt umher, gingen die Laubengasse entlang, die der Meraner Laubengasse nicht im Entferntesten nahe kommt. Überhaupt ist Meran die viel schönere Stadt. Eben Kurstadt und auch noch sehr deutsch. Bozen hingegen ist zwar die Hauptstadt von Südtirol, aber schon sehr industrialisiert und sehr viel italienischer. Hier sprechen viele nicht mehr deutsch. Auch das macht Bozen etwas fremder.

Unser Spaziergang näherte sich dem Ende zu. Es war Zeit, wieder in die Wohnung zurückzufahren. Wir gingen Richtung Walter-Platz. Ich sagte meinem Mann, dass ich aber noch zur Toilette wollte, bevor wir zum Auto gehen. Am linken Rand des Walter-Platzes befindet sich eine öffentliche Toilette. Also gingen wir in diese Richtung. Es ging eine Treppe hinunter, dann kam ein Drehkreuz, durch das man hindurch gehen musste. Aber damit sich dieses Kreuz bewegt, und man durchgehen kann, muss man 70 Cent hinein werfen. Mein Mann sagte zu mir: Da kommst du doch unten durch! Er meinte, unter dem Drehkreuz. Ich weiß nicht, was mich da geritten hatte und warum ich das tat: Ich versuchte tatsächlich unten durch zu kommen. Aber da war mir meine Arthrose im Wege. Knien kann ich schon lange nicht mehr, also bückte ich mich und versuchte, auf diese Weise darunter durch zu kommen. Aber das klappte nicht. Ich hing fest. In genau diesem Moment war mir klar, was ich da eigentlich gemacht hatte. Ich bin eine pflegeleichte Ehefrau; es gibt nicht viel Widerstand von meiner Seite. Denn ich mag Harmonie. Aber warum ich so weit gegangen bin, konnte ich mir selbst nicht erklären.

Irgendwie schaffte ich es dann doch noch unter dem Drehkreuz wieder hervor zu kommen. Und da stand er dann: Der Klo-Mann. Er schimpfte mit lauter Stimme in italienischer Sprache, fuchtelte mit seinem rechten Zeigefinger in der Luft herum und zeigte immer wieder auf mich. Ich war froh, dass ich nicht verstand, was er da von sich gab. Und ich schämte mich so, dass ich am liebsten im Erdboden versunken wäre. Ja, am liebsten wäre ich jetzt gar nicht mehr zur Toilette gegangen, aber das ging auch nicht. Mein Mann dagegen lehnte am Türrahmen, lächelte und tat so, als gehöre er nicht zu mir. Ich warf die 70

Cent in den Automaten, und das Drehkreuz bewegte sich. Schnell verschwand ich in der Tür zur Damentoilette. Ich ließ mir Zeit, und hoffte, dass der Klo-Mann wieder weg sein würde, wenn ich raus komme. Weit gefehlt. Als ich raus kam, saß er wachend auf seinem Stuhl und sah mich verachtend an und murmelte ein paar Worte, die ich wieder nicht verstand. Aber ich konnte mir schon denken, was er meinte. Mein Schamgefühl war unbeschreiblich. Doch plötzlich durchfuhr es mich: Ich erkannte die Absurdität der Situation und fing an, unbeschreiblich zu lachen!

Mit dem ausgestreckten Zeigefinger wies ich zuerst auf meinen Mann und danach auf den Klo-Mann. Nun begann auch mein lieber Ehemann zu lachen und wenig später schloss sich der Klo-Mann an. Im Geiste war ich jetzt bei meiner Humor-Gruppe in Tuttlingen, wo auch so lautstark gelacht wurde. Ich ging vor Lachen unwillkürlich in die Knie, und als mir bewusst wurde, dass ich das wegen meiner Arthrose auf keinen Fall hätte tun dürfen da musste ich nur noch mehr lachen! Inzwischen waren Passanten stehen geblieben, die ganz verblüfft die Treppe runterschauten. Doch als sie sahen, dass ich mit meinem Zeigefinger immer noch auf den Ehemann und den Klo-Mann hinwies, fingen sie ihrerseits an zu lachen. Und da wurde mir klar, dass Lachen alle Grenzen überwindet, auch die Sprachgrenzen. Wir lachten nämlich italienisch!

Heidi-Magdalena Hirsch

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