Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Stell dir vor, da ist ein Symposium und keiner geht hin.
Den ersten Satz hörte ich beinahe als Parole in der Studentenzeit der 70-iger Jahre. Ja, da saßen wir im Cafe und amüsierten uns stundenlang über die Bilder, die uns zu diesem Satz einfielen. Da wird ein Krieg geplant, weil es Feinde gibt, die nicht so wollen wie man selbst. Das Gesetz des Krieges ist ja Töten, also „Rübe ab!“ Männer und Frauen werden einberufen, Uniform angezogen, weil Sinnbild kollektiven Denkens und Handelns. Waffen angelegt, weil „Rübe ab“ dran ist – und dann kommt man aufs Schlachtfeld und keiner ist da zum Abschlachten. Na, so was! Feind weg. Sinn weg. Nein, was haben wir uns kaputtgelacht über diese Vorstellung. Leider hat sie sich nie verwirklicht, obgleich dies ein Siegeszug menschlicher Größe gewesen wäre oder auch heute noch wäre. Wie ist das mit dem zweiten Satz? Kann man da auch lachen? Ist das genauso absurd wie der erste Satz?
Zunächst muss einleuchten, dass ein Symposium Zeichen von Kultur ist und dies nur in Friedenszeiten stattfindet. Krieg ist Auslöschen von Kultur. Frieden ist Versöhnung und Beziehungsfähigkeit, Bemühung um Toleranz, Interesse an Fortschritt und Anschauen von Schwächen. Im Gefolge des Friedens ist die lange Aufräumkolonne für Trümmer, Scherben, Scham und emotionales Elend. Und man erinnert sich wieder kultureller Blüten nach der Aschelegung von Kultur. Dieses gebetsmühlenartig wiederholte Verhalten von uns Menschen ist eines der komischsten Rätsel.
Darüber musste ich brüten, denn in diesem Falle war es keine Fiktion, sondern Realität: Da richtete ich ein Symposium mit Humor-Themen – was es alles für neue Strömungen und Anwendungen gibt – für Humor-Beflissene aus. In friedlicher Absicht war das Symposium als Gesamtkunstwerk ausgerichtet, nicht als stumpfsinnige Folge von Fachvorträgen. Das war klar, denn ich bin ja mit meinen Künstlerkollegen darauf spezialisiert, Humor und Kunst in die langweiligen Kongresse und Symposien zu bringen. Also, es machte riesige Freude, anderen eine Freude zu bereiten. Die Vorfreude ist in der Tat die schönste Freude. Eine herrliche Idee hatte das Ehepaar fürs Bio-Catering, das nicht nur sehr gutes Fingerfood auszeichnet, sondern einen unverwüstlichen Humor, demzufolge der Herr mit dem Fingerfood einen Witz serviert hätte. Ja, es ist die Rede im Konditional (Möglichkeitsform) angesagt, denn die Adressaten, die Humor-Beflissenen blieben aus. Das heißt, etwas anderes war ihnen wichtiger, denen, die Humor beruflich, privat anwenden, sich über menschliche Schwächen lustig machen usw. usw. und alle so „wahnsinnig viel zu tun haben“. Humor im Workaholic-Gewand? Das ist wirklich komisch, weil ich gelernt habe, dass Humor von der Muse der Muße geküsst wird, um die menschliche Intelligenz zu aktivieren. Aber nun ja, ich bin schon etwas älter und offenbar nicht upgedated. Also blieb es bei der Vorfreude!
Wie überwindet man so eine absurde Situation? Gottseisgepriesen verfüge ich über viel Humor und eine kreative Vorstellungskraft und stellte mir daher vor, dass alle Referenten antreten – gut versorgt durch Fingerfood – und ihren Vortrag vor leerem Saal halten. Das wäre ein super Quantensprung des Bewusstseins gewesen, es dem medial begabten Pfarrer Harri Rein gleichzutun, der oft vor leerer Kirche den Engeln predigt oder Pfarrer Ötinger, der Anfang des 19. Jh. stets vor leerer Kirche in der Nacht predigte und auf die Frage, wieso denn, das antwortete: „Leer? Die Kirche ist voll von unseren Ahnen!“ Ja, so gesehen, hätten ich und einige der Referenten kein Problem gehabt, die zur Zeit Körperlosen wahrzunehmen und ihnen das Neueste aus der Humor-Forschung zu präsentieren. Warum soll der geistige Fortschritt, wenn wir den Körper mal für eine Weile ablegen, nicht aus unserer Dimension mitgeteilt werden?
Das Einzige, was mich daran gehindert hat, das Symposium für unsere Ahnen und frisch Verstorbenen auszurichten, waren die Kosten. Die gehören nun mal zu unserer körperhaften Existenz. Und da wären die Humor-Beflissenen auch sehr schnell präsent gewesen, wenn ich die Vereinsgelder für einen Ahnenkult verbraten hätte. Wenn’s um Geld geht, hört der Humor auf!
Also sagte ich das Symposium mangels Beteiligung ab und erntete Erstaunen und Schmunzeln bei den Eröffnungsrednern aus der Politik. Ich ersparte den Referenten, die nicht so jenseitskundig sind, vor leerem Saal und Sessel Humor zu bewahren, weil sie niemanden sähen und außer dem Hall ihrer eigenen Stimme kein Laut zu hören wäre. Die Ahnen klatschen so leise.
„Humor heilt
“ war das Thema des Symposiums. Stimmt! Absurde Situationen rufen entweder Verdruss, Frustration oder Humor auf den Plan. Wiederum war es gut, dass ich schon mal eine ähnlich absurde Situation erlebt hatte: Im Elsass war ein Konzert mit mir als Solistin und einem Barockorchester angesagt. Bei der Generalprobe in Köln verabsäumte der Organisator mir mitzuteilen, dass das Konzert von Samstag auf Freitag vorverlegt wurde. Also reiste ich am Samstag an, traf eine leere Kathedrale an und ein volles Plakat, auf dem stand, was ich gestern gesungen hätte. Angesichts solch eines Schocks und dem Trara gestern, als die Solistin nicht auftauchte, nimmt sich die Absage eines Symposiums milde aus. Das entspricht auch einem hilfreichen Zug der Humor-Therapie, den Patienten anzuhalten, Menschen zu sehen, denen es noch schlechter geht als ihnen. Nur musste ich nicht erst krank werden, um zu ermessen: nichts und niemand ist so wichtig als dass ich dafür meine Gesundheit opfere. Denn Humor heilt! In diesem Sinne: Humor-Beflissene, macht es besser als ich!
Dr. Rosina Sonnenschmidt