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Humorglosse Nr. 21

Autoren: Alfred Kirchmayr

Papst Franziskus I. Ein Christ mit Humor

Der Heilige Geist, der in den Gläubigen wohnt und die ganze Kirche leitet und regiert, schafft eine wunderbare Gemeinschaft der Gläubigen und verbindet sie in Christus so innig, dass er das Prinzip der Einheit der Kirche ist. (Dekret über den Ökumenismus)

Der Heilige Geist im Vatikan

Weil die Korruption im Vatikan extreme Formen angenommen hatte, durfte der Heilige Geist ausnahmsweise mal im schönsten Wahllokal der Welt landen. Schon im Vorkonklave sprach Bergoglio Klartext: Eine Kirche, die um sich selber kreist, ist keine christliche Kirche. Weltliche Machtgier, klerikale Eitelkeit, Bequemlichkeit und Angst vor der herausfordernden Botschaft Jesu machen sie unfähig, Werkzeug Gottes für die Verkündigung der Frohen Botschaft zu sein. Dagegen verkörpert Franziskus Kontaktfreude, Dialog und Barmherzigkeit. Ihm schwebt eine arme Kirche vor, die sich besonders für die Bedrängten aller Art einsetzt.

Ein Seelsorger ist am 13. 3. 2013 Papst geworden. Kein Glaubenswächter, kein Professor mit Unfehlbarkeitsallüren, kein Klerikaler. Er liebt es, mit Menschen zu leben, zu sprechen und ihnen in ihrer Welt zu begegnen. Er fährt mit den öffis. Er geht zu Fuß in seinen schwarzen Schuhen, die oft in den Elendsvierteln von Buenos Aires unterwegs waren, zu den Sitzungen im Vatikan. Seine alte Aktentasche trägt er selbst. Und er wohnt im Gästehaus unter Pilgern und macht sein Bett selber.

Energisch warnt er vor den Gefahren des Klerikalismus und der Globalisierung der Gleichgültigkeit. Immer wieder bittet er um das Gebet für die Hirten: Wenn wir auf den Weg des Reichtums geraten, wenn wir den Weg der Eitelkeit einschlagen, dann werden wir Wölfe. Und nicht Hirten!

Bekehrung, Dialog und radikale Reform

Nach seiner Wahl war klar, dass er eine energische Erneuerung, spirituell und strukturell anstrebt. Zuerst hat Franziskus den vatikanischen Karneval abgeschafft. Er ist ein gründlicher Reformer, voll ungeduldiger Geduld. Papalismus, vatikanischer Zentralismus, Klerikalismus und Eurozentrismus sind massive Hindernisse für die Aufgabe der Kirche. Sie bedürfen radikaler Veränderung, die nur mit Klugheit und Besonnenheit durchgeführt werden kann.

Die Aufgabe der Kirche beschreibt er konkret: Licht zu bringen, zu segnen, zu beleben, aufzurichten, zu heilen, zu befreien. Ein Ausspruch des Thomas v. Aquin ist ihm Richtschnur: Die Werke der Nächstenliebe sind der vollkommenste Ausdruck des Heiligen Geistes. Vier Prinzipien leiten ihn: Menschenwürde, Gemeinwohl, Subsidiarität und Solidarität. Konsequent vertritt er die christliche Soziallehre.

Die Bergpredigt und die Gerichtsrede enthalten das Wesentliche des Christseins. Alles andere ist sekundär. Es geht ums Menschwerden Gottes und der Menschen, das ist die befreiende und frohe Botschaft Jesu. Dafür kämpft Franziskus. Für den begeisterten Seelsorger sind Dialog und Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens selbstverständlich: Selbstgefällige Sakralisierung der eigenen Kultur führt zu narzisstischen Absolutheitsansprüchen.

Die jesuanische Tradition fordert vor allem Mitgefühl und Barmherzigkeit. Der christliche Glaube versteht sich als Widerstandsbewegung gegen jegliche Erstarrung. Er äußert sich als immer wieder nötige Herztransplantation: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz aus Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz aus Fleisch. (Ezechiel 36, 26).

Nicht nur Kurienkardinäle sind verstört. Manche Kardinäle und Bischöfe und deren ergebene Untertanen beten schon für die Bekehrung des neuen Papstes, der angeblich die Einheit der Kirche zerstöre und das Papsttum um seine Würde brächte. Statt an ehrwürdigen Kirchenmännern hat Franziskus die Fußwaschung an Gefängnisinsassen, noch dazu an jungen Frauen ohne Taufschein, vorgenommen. Den Kurienkardinälen hat er dafür zu Weihnachten 2014 den Kopf gewaschen, aber gründlich!

Humor, Heiterkeit und befreiendes Lachen

Der Dreiklang Dank, Dienst und Demut prägt seine Spiritualität. Franziskus lacht gerne und herzlich. Er bestätigt, was Martin Grotjahn gesagt hat: Alles, was wir lachend tun, hilft uns, menschlich zu sein. Lachen befreit und Freiheit bringt Lachen.

Humor ist Ernstheiterkeit, der Gegenspieler von Fanatismus, Fundamentalismus und tierischem Ernst. Humor ist keine Stimmung, sondern eine Weltanschauung (Ludwig Wittgenstein). Humor ist ein Kind der Lebensfreude, trotz aller Widrigkeiten. Er zeigt sich in der Fähigkeit zur Selbst-Distanz: Distanz zu den eigenen Selbstverständlichkeiten, zu Verletzungen und Kränkungen und zu eigenen Schwächen. Und Humor wird von Weisheit, Dankbarkeit, Bescheidenheit, Offenheit, Güte und Barmherzigkeit begleitet.

Franziskus I., der zweite fröhliche Papst neben Johannes XXIII., strahlt diese Einstellung aus. In einer Predigt sagt er pointiert: Die christliche Gesundheit ist die Freude! Es gebe Christen mit einem Gesichtsausdruck, als hätten sie auf eine eingelegte Pfefferschote gebissen. Ein Christ ohne Freude ist kein Christ.

Als der junge philippinische Kardinal Luis Tagl in den Speisesaal des vatikanischen Gästehauses

trat, sah er einen leeren Platz neben dem Papst. Er ging zu Franziskus und fragte: Heiliger Vater, darf ich mich zu Ihnen setzen? Seine Antwort: Aber gerne, Heiliger Sohn! Offenbar saß ihm da, wie so oft, der Schalk im Nacken!

Das argentinische Präsidentenehepaar Néstor und Christine Kirchner bezeichnete den für die Armen besonders engagierten Kardinal Bergoglio als Teufel im Talar. Mehr als zehn Mal versuchte er als Kardinal, einen Termin bei der Präsidentin zu bekommen, ohne Erfolg. Doch als Papst lud er sie als erste Regierungschefin zu einer Privataudienz ein und überreichte ihr weiße Babyschuhe für ihr erstes, kaum zwei Wochen altes Enkelkind. Sie war gerührt. Humor ist, wenn man trotzdem freundlich ist.

Den Heiligen Geist, der im Volk Gottes lebt, wirken lassen

Das Konzil versteht Franziskus als ein großartiges Werk des Heiligen Geistes. Doch der Geist dieses Konzils wurde fünfzig Jahre lang abgelehnt, sagte er: Wir wollen uns nicht verändern. Das ist dickköpfig, das ist der Versuch, den Heiligen Geist zu zähmen. So bekommt man törichte und lahme Herzen.

Sein Regierungsprogramm, das Apostolische Schreiben Die Freude des Evangeliums, ist eine Einladung zur christlichen Lebensgestaltung, in der Freude, Solidarität, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit im Mittelpunkt stehen. Gottes Barmherzigkeit ist unendlich: Gott wird niemals müde zu verzeihen.

Von pastoralem Eros erfüllt, ist Franziskus Wegbereiter für einen Frieden fördernden Dialog mit allen christlichen Konfessionen, allen Religionen und Weltanschauungen. Es tut wohl, wie er in seiner bilderreichen und provokanten Sprache fundamentalistische Tendenzen auf die Schaufel nimmt: Gott ist nicht katholisch, der Zölibat ist kein Glaubensdogma, die Hirten sollen den Geruch der Schafe annehmen … es gibt keine absolute Wahrheit.“

Alfred Kirchmayr

Bruder Papst. Anekdoten & Erinnerungen. St. Benno Verlag. Leipzig o. J. Papst Franziskus: Die Freude des Evangeliums. Herder, Freiburg i. B. 2013 Erbacher Jürgen: Ein radikaler Papst. Die franziskanische Wende. Pattloch. München 2014

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