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Humorglosse Nr. 2

Autoren: Dr. Erwin Neuwirth, Klagenfurt ehem. Präsident von HumorCare Austria

1.Geschichte

Das auffallende am amerikanischen Lebensgefühl ist das kameragerechte Veredelungsbestreben. Dafür sind die Amerikaner begeisterungsfähig. Deshalb ist es verständlich, dass sie sich um das Lachen bemühen, es ins Krankenhaus bringen, ökonomisch, therapeutisch, wie filmtauglich machen (Patch Adams) und aus den vielen Nebenerscheinungen, die es beinhaltet, eine Wissenschaft begründen. Alles Argument für meine Neugier, die mich bewog, gemeinsam mit Dr. Walter Salzmann (Neurologe aus Wien), anlässlich unseres Florida-Aufenthaltes im Juni 2002, das Hospital in Clearwater zu visitieren. Überaus herzlich wurden wir von der Krankenhausdirektion empfangen. Das Begrüßungskomitee bestand aus der kaufmännischen Direktorin, der Regionalbeauftragten für therapeutischen Humor und zwei weiblichen Clowns. Nach einem Rundgang durch das Areal wurden uns die Einrichtungen der Hospital-Clowns gezeigt. Die Räumlichkeiten enthielten die Grundausstattung eines kleinen Theaters: Kostüme, Maske, Requisiten. Zwei Damen um Mitte sechzig, waren für die Patientenerheiterung zuständig. In Anbetracht unseres Besuches wollte man uns demonstrieren, wie eine Lachtherapie am Patienten angewendet wird. Der dafür auserkorene Patient war ein Mann um die fünfzig, der (nach einer ungefährlichen Operation noch in seiner Vollnarkose dämmernd) eine Clownsbegrüßung erhalten sollte.

Der Patient wurde in sein Krankenzimmer geschoben. Aufgefädelt standen die Direktorin des Krankenhauses, die Humorbeauftragte, die beiden Clowns, Dr. Salzmann und ich am Fußende des Krankenbettes und warteten auf das Erwachen des Patienten.

Als sich seine Augen öffneten, bewegten sich die beiden Clowns feenhaft auf den Kranken zu und bliesen ihm Papierschlangen entgegen. Der Patient, der plötzlich nicht nur die Augen offen hatte, sondern auch den Mund, starrte zuerst auf die beiden Spaßmacherinnen, anschließend auf uns. Dann wieder zurück auf die beiden Clowns. Er vermittelte den Eindruck, in einer anderen Welt zu sein und flüsterte Oh God!

In diesem Moment konnte ich nur vermuten, was im Patienten vorging. Die einfachste Version war die, dass sich der Patient dachte, was starren mich die sechs Personen so an? , bis hin zur theatralischen Variante: Warum fliegen die beiden Clowns nicht, wenn sie Engel sind? .

Respektvoll und höflich verabschiedeten wir uns. Dr. Salzmann sprach von zu hohen Erwartungen , die vor allem ich mit mir herumtrug.

Was hatte ich mir denn erwartetet? Einen Patienten, der aufstand, uns auf die Schulter klopfte, um dann in schallendes Gelächter zu verfallen? Salzmann beruhigte mich mit Schopenhauer: Es kommt weniger darauf an, was einem im Leben begegnet und widerfährt, als darauf, wie er es empfindet, also auf die Art und den Grad seiner Empfänglichkeit .

In diesem Moment hätte ich gerne gelacht. Weil der Grad der Empfänglichkeit so unterschiedlich sein konnte.

Die amerikanische Delegation lächelte, wir lächelten zurück.

War das nun Nachsicht, weiser Humor?

2.Geschichte

Ein österreichischer Schauspieler sinniert über das Lachen.

Wird das Lachen als Kunstform akzeptiert, sollte man es leicht wiederholen können. Auch unter widrigen Umständen. Diese Bemerkung meine ich nicht ironisch, sondern weist auf Anregungen hin, die Lachkünstler selbst gerne äußern. Die Hauptsache beim Lachen ist die Wirkung. Weniger seine Vorgeschichte.

Freud selbst, der dem Lachen therapeutische Ressourcen zusprach, schwächte seine Meinung zwar dahingehend ab, dass die angenommene Quantität der psychischen Leistung nicht messbar sei und daher der naturwissenschaftlichen Forderung nach Überprüfbarkeit nicht nachkommen kann. Hier werden Biochemiker einwenden, dass die Leistung des Lachens heutzutage durchaus messbar sei. Gewiss. Auch ein beeindruckendes Theatererlebnis könnte nach physikalischen und biochemischen Qualitätsrichtlinien gemessen werden. Welche Erkenntnisse zögen wir daraus? Wir wüssten, wer die lauteste Stimme, wer am meisten geschwitzt hatte, welche Gehirnregionen sich besonders erhitzen, welche Hormone abgebaut werden oder sich vermehrt hatte. Und hätten wir damit die erzählte Geschichte besser verstanden? Oder anders? Oder überraschender?

Ich habe nichts gegen die Kunstlacher, im Gegenteil. Ein künstliches Arrangement gibt mir zumindest die Chance, das gesellschaftliche Verhalten als imaginäres Spiel zu verstehen.

Reißen wir das Lachen aus seinem Biotop, wie einen Baum, den wir zersägen, schleifen, lackieren, bohren, nageln, furnieren, werden wir ihn kultivieren, zweckmäßig gestalten, jedoch nicht mehr den selben Baum daraus machen können.

Wir könnten den Baum auch in seine biochemischen Bestandteile zerlegen und diese neu zusammenfügen.

Vielleicht wollen wir dann nicht mehr Baum zu ihm sagen, sondern Holz, Tisch, Stuhl, Kasten, Bank, Heizmaterial, Resopalplatte. Der Baum würde uns auf eine andere Art nützlich. Nützlicher vielleicht, als er es vorher war. Vorher brachte er uns Schatten, klimatisierte, grünte und brachte Früchte. Er war ein Teil eines ständigen Kreislaufs.

Wenn wir verändern, ergeben sich Fragen: Brauchen wir den Baum so oder so? Brauchen wir das Lachen so oder so? Mit nachfolgenden Konsequenzen.

Eine Verwandlung kann gelingen, auch enttäuschen. Wenn aus der Erwartung nicht nur Nichts entsteht, sondern ein negatives, ein verunglücktes Nichts.

Wenn wir das Lachen von seinem ursprünglichen Wesen entpflichten, kann es in seinen Kennzeichen ähnlich sein, muss es aber nicht. Auch ein Plagiat muss dem Original nicht gleichen, nur ähneln, wie Vanille dem Vanillin.

Ein echt falsches Lachen kann möglicherweise alles. Es darf aber dann nicht mehr alles, da es ein geistiges Produkt geworden ist. Daraus folgt die Konsequenz, dass es einen kollektiven Anspruch, vielleicht ein vereinbartes Anrecht darauf geben kann, weil das Lachen, als willentlicher Affekt, in der Verantwortung des Geistes liegt.

Was folgt daraus? Dann ist das Lachen kein Affekt des Einzelnen mehr, sondern eine kultivierte Emotion, die für jeden jederzeit machbar und damit disponibel ist.

Wenn der Alltag die Lachfälschung übernimmt, hat nach geraumer Zeit nicht mehr der Einzelne Anspruch auf das Lachen, sondern die Allgemeinheit ein Anrecht darauf. Das Lachen gehört nicht mehr dem Individuum, sondern der Gesellschaft.

Ob das Lachen dann noch gesund ist?

Gewiss lässt sich aus dem Vergleich zwischen der Tragödie des Lebens und der Komödie der Bewältigung immer eine humorale Wirkung ableiten. Aus dieser wiederum eine hormonelle und aus dieser vielleicht eine gesundheitliche. Allerdings lässt sich das unwillkürliche Leibgefühl des Lachens nicht zuverlässig beeinflussen. Weil das Körper-sein und Körper-haben in ihrer Gegensätzlichkeit nicht bevorzugt sind. Sein und Haben sind sowohl simultan, als auch divergierend.

Darin liegt die Freiheit des Lachens: Erheiternd zu sein, wie beängstigend.

Dr. Erwin Neuwirth, Klagenfurt
ehem. Präsident von HumorCare Austria

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