Back to Top

Humorglosse Nr. 18

Wie man in 30 Minuten 20 Jahre älter wird oder bei der Rentenantragsstelle

Da kam er, der verheißungsvolle und doch unerwartete Bescheid: Sie können schon einen Monat nach Ihrem Geburtstag Ihre Rente beantragen. Super! Womit habe ich denn das verdient? Es ist der Jahrgang: 1947. Da läuft alles noch regulär. Die Rente wird sofort ausgezahlt und dafür, dass man sich privat versichert, bekommt man auch noch einen Bonus von den gesetzlichen Krankenkassen. In Fettdruck: Das ändert sich aber alles ab dem Jahrgang 1948. Wichtiger Hinweis: Bitte suchen Sie an Ihrem Ort die Rentenantragsstelle auf, damit man Ihnen behilflich ist bei der Beantragung. Das hört sich nach vielen Formularen an.

Telefonat nach Berlin, vier Mal ums Eck, aber dann doch eine 0800-Nummer, bis ich wieder in Berlin lande und dort die Telefonnummer von der Zweigstelle in Pforzheim, meinem Wohnort, bekomme. Die Nummer ist falsch, aber ein kurzer Schwenk Berlin – Köln – Pforzheim, ja, da meldet sich ein nettes Fräulein. Ich bekomme gleich um 8 Uhr einen Termin. Ältere Leute schlafen eh weniger, dann kann man auch früh zur Rentenanstalt gehen.

Ein älterer Herr scheint denselben Weg zu haben, schaut mich misstrauisch an, weil ich still vor mich hin lächle, amüsiert über die Tatsache, dass ich nun Rentnerin bin – noch ein Beruf neben der vielen Arbeit. Er lächelt nicht, hat seine Unterlagen griffbereit und starrt auf die Uhr. Schlag 8 klopft er ungeduldig an die Sekretariatstür. Eine ebenfalls ungeduldige Dame weist ihn auf die Wartebank zurück. Er ist geladen wie eine Haubitze. Dann trödeln zwei junge Damen durch den Gang. Eine davon ist offenbar für uns zuständig. Sie öffnet die Tür, der ältere Herr schießt in olympiaverdächtiger Bestzeit ins Amtszimmer – kurzes Lamento, dann schießt er wieder heraus und eilt davon, als wäre der Amtsteufel hinter ihm her.

Ich werde höflich ins Amtszimmer gebeten. Eine nette blonde Dame weist mich auf den Stuhl ihr gegenüber, vor sich einen riesigen Stapel Formulare. Es beginnt ein köstliches Frage-Antwortspiel. Sie spricht als Schwäbin betont Hochdeutsch, was an sich schon eine Komik hat.

Von der Studienzeit an bis jetzt muss alles aufgerollt werden, damit der Staat nicht am Ende 40 Cent mehr Rente bezahlt. Ja, alle meine Unterlagen sind ordentlich gesammelt, alle Angaben stimmen. Immer wieder streift mich der Blick der Dame, ob ich alles verstanden habe und ob es mir noch gut geht.

Ja, sage ich ihr ich kann geistig folgen, die Ohren und Augen tun es noch .

Das ist schön , sagt sie. Amtsfloskel.

Dann kommt die Frage: Können Sie noch arbeiten?

Ich bin perplex, bin ja voll beschäftigt.

Natürlich!

Aha, und Sie nehmen Medikamente?

Wozu denn das?

Ja, nun, sind Sie so gesund, dass Sie arbeiten können?

Ja, klar

Mich streift ein unsicherer Blick. Nehmen Sie denn Medikamente?

Nein

Gar keine?

Nein, ich bin ziemlich gesund

Aha, also keine auffälligen Probleme. Ich sehe, Sie sind Heilpraktikerin. Darf ich fragen – ist mehr ein persönliches Interesse – wie Sie behandeln?

Ja, mit Homöopathie und Humor-Therapie

Was? Habe ich das richtig verstanden – Humor-Therapie? Ja, gibt es das denn?

Ja

Ach, Humor. Das ist ja komisch.

Eben. Vieles ist komisch, wenn einer krank ist und würde das gerne verstehen.

Aha, und da sind Sie behilflich?

Ja

Oookeee. Sie nehmen also keine Medikamente und arbeiten. Keine Beschwerden?…

Nein, ich kann Ihnen gut geistig folgen.

Die Dame bemüht sich, einfache Sätze zu bilden: Subjekt, Prädikat, Objekt. Sehr schön. Ich amüsiere mich.

Geht es Ihnen gut, alles in Ordnung? Was erheitert Sie denn so?

Ich finde das wunderbar, dass ich jetzt Rente bekomme.

Ach!

Zahllose Fragen rieseln über mich, ich beantworte sie in einfachen Sätzen, damit die Dame es leicht hat, die Formulare auszufüllen. Immerhin, sie schreibt alles von Hand. Die Amtsdame ist leicht verwirrt, weil ich immer wieder still vor mich hin lächle.

Wissen Sie, die meisten Rentner wirken so, als wäre ihnen das Lachen vergangen. Sie wirken da so anders, so heiter…

Ja, ich behandele Rentner und kenne ihre Problematik. Bringe wieder etwas mehr Heiterkeit in ihr Leben.

Ach! Lachen soll ja gesund sein… das sagt sie ohne den geringsten Anflug von Lächeln, von lachen keine Rede. Ich denke mir mein Teil. Wenn sie erst ins Rentenalter kommt….

Ja, da haben wir eigentlich alles soweit klar, fehlt nur noch Ihr Bankkonto, die Daten reichen Sie mir bitte noch rein.

Ja, ich rufe Sie nachher an. Danke auch für die nette Betreuung.

Ja, man muss sich schon auf ältere Leute einstellen. sagt die Dame nicht ohne ein wenig Stolz in der Stimme, wieder einen Rentner gut behandelt zu haben.

Aber ich fühle mich auf einmal älter als vorher. Wie schade, dass wir in Deutschland noch nicht das Seniorenprinzip wie in England beherzigen. Hier muss man sich rechtfertigen dafür, dass man mit 65 noch nicht zum alten Eisen gehört. Dort wird man erst ab 50 überhaupt ernst genommen, wenn man was zu sagen hat. In der Stunde bei der Amtsdame wurde ich merklich älter, sozusagen ein Zeitraffer ins 85. Lebensjahr. Tun die Gelenke noch? Du hast doch demnächst eine Aufführung…

Nun ja, ich verlasse nachdenklich das Rentenvergabehaus und tanze mich zu Hause wieder in mein altersloses Alter, damit ich fit für die nächste Aufführung bin

Herzlichst Rosina Mitglied von Merlino, Pitt&Pott

Sie sind hier: Startseite | Humorglosse Nr. 18