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Humorglosse Nr. 15

Autoren: Rudolf Rapp

Es gibt solche und solche Tage

Relativ oft erlebt man es gerade im fortgeschrittenen Alter: Ja, es gibt solche Tage und solche!
So gibt es hin und wieder Tage, wo alles ganz anders ist als sonst.

Es kann also schon einmal vorkommen, dass es dir als Mann gut gehen kann beim morgendlichen Aufstehen. Es brummt nicht der Kopf, kein Rheuma zwickt und du hast vor, dich heute unbedingt zu rasieren. Auch an das weihnachtsgeschenkliche Haarwasser erinnerst du dich, obwohl du weißt, dass es da, wo es hin soll, hoffnungslos deplatziert ist. Vermutlich wollte der Schenker dich nur ärgern.

Nachdem die Rasur gelang und die siebzehn Haare in die richtige Richtung gelegt sind, übermannt dich der Wunsch nach einem richtigen Bad.

Gesagt, getan. Wie ein neugeborenes Wesen entsteigst du der Wanne. Wenn dann die Waage noch freundliche Zahlen liefert, bist du sicher, dass dies ein außergewöhnlicher Tag in deinem Leben wird. Ein letzter Blick in den Spiegel sagt dir, du spielst in einer anderen Liga als deine alltägliche Umgebung. So wie du dich fühlst, wie du denkst und wie du dir vorkommst, gehörst du zwei Etagen höher angesiedelt.

Es wird dir bewusst, du würdest schon was hermachen bei den Anderen. Bei denen, die auch werktags Krawatten tragen und die womöglich Hemd und Unterwäsche täglich wechseln. Leute, die vom Urlaub in internationalen Bädern in fernen Kontinenten reden. Leute die sich überhaupt nie aufregen. Leute, einfach cool sind.

Du fühlst dich allerdings wie im falschen Film, wenn in diesem Moment deine soeben aufgestandene Frau ins Badezimmer kommt. Ihr Haar liegt wirr. Man sieht ihr an, sie hat schlecht geschlafen. Sie – und auch ihr nicht aus der neuesten Kollektion stammendes Nachthemd – haben Migräne.

Das ist nicht deine Welt.

Indem du hoffst, dass auch deine Frau zwischen diesen beiden Welten differenzieren kann, entschwindest du auch schon in den Niederungen des Alltages. Eine kleine Spritztour mit dem neuen Auto, verbunden mit der Hoffnung auf Begegnungen, die deinem Niveau entsprechen, ist jetzt angebracht.

Doch es gibt auch andere Tage, wie eingangs schon festgestellt wurde. Zum Beispiel: Du wälzt dich mit Verdauungsschwierigkeiten die Hälfte der Nacht im Bett herum.

Endlich wird es Tag, es plagt dich das Zipperlein und du kommst nur mit Rolle rückwärts und seitlicher Rutsche aus dem Bett. Schließlich stehst du dann endlich senkrecht und tastest dich gebückt zum Badezimmer vor, und es schmerzen dich nicht nur der Kopf und der Magen, sondern auch doppelt so viele Knochen, wie du in Wirklichkeit hast!

Die Nase tropft, die roten Augen schauen müde und trübe in den neuen Tag, dein Tastsinn ist halbiert und wenn du in den Spiegel schaust, erschrickst du, weil du glaubst, dein längst verstorbener Großvater wäre wieder aufgestanden und stünde direkt hinter dir.

Und wenn du dir jetzt noch vorstellst, du müsstest dich rasieren, duschen oder gar dich zum Schuhe binden bücken, kriegst du die Krise.

Kommt dann dein Frauchen elastischen Schrittes vom Frühsport zurück, rosig angehaucht von der Morgenfrische und dem glücklichen Verlauf ihres Tennisspieles, hoffst du nur noch, dass sie dir aus der Apotheke deine Medizin mitgebracht hat. Du spürst überdeutlich: Es gibt solche und solche Tage!

Rudolf Rapp

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