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Humor und Sozialarbeit

Autoren: Sabine Paprotta und dem „Esslinger Humorteam“

Humor in der Sozialen Arbeit?

Von Sabine Paprotta und dem „Esslinger Humorteam“

Die Arbeit mit Humor, die in der Psychotherapie, Medizin und Krankenpflege seit den 60iger Jahren entwickelt wurde und nun in zunehmendem Maß thematisiert wird, ist in der sozialen Arbeit bislang noch kein Thema. Dieser Umstand ist um so erstaunlicher, als der Begründer der provokativen Therapie, Frank Farelly, ein Sozialarbeiter war. Wir stellten uns die Frage, warum das so ist, weshalb Humor als Methode sich im Bereich der Sozialen Arbeit der Instrumentalisierung entzogen hat. Unsere Untersuchung wandte sich deshalb vordringlich der Fragestellung zu, welchen Stellenwert Humor innerhalb sozialarbeiterischer Bezüge einnimmt. Ist Humor ein Thema für die Soziale Arbeit?

Oder könnte es sein, dass Sozialarbeit hierzulande als Berufsbild mit geradezu schicksalshafter Dramatik begriffen wird? Und verbietet sich nicht angesichts der Problematik des Klientels eine humorvolle Arbeitshaltung, die ja schließlich und endlich auch zu Gelächter miteinander oder über etwas führt? Lachen impliziert ja nicht nur angenehmes miteinander Lachen, sondern auch verletzendes Ausgelacht werden.

Läßt sich eine humorvolle Arbeitshaltung, die (noch) nicht didaktisch angeleitet und methodisch eingesetzt wird, finden? Gibt es Sozialarbeiter, die Humor in der Arbeit mit ihrem Klientel für sinnvoll und möglich halten; die Humor in irgendeiner Art und Weise bewußt oder unbewußt aufgreifen und anwenden?
Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass SozialarbeiterInnen Humor als ein wichtiges Element ihrer Arbeit sehen.

Sie setzen humorvolle Interventionen mit einer bestimmten Zielsetzung ein und beschreiben ihre Arbeit mit Humor überwiegend als innere Haltung, die habituell zu einer Person gehört und von deren Sensibilität und Selbstreflexion beeinflußt wird.

Humor wird als soziales Schmiermittel erlebt, das die Atmosphäre bei Beratungsgesprächen positiv beeinflußt. Es lassen sich zwei Positionen feststellen:

Durch eine humorvolle Grundstimmung schon während des Erstgespräches kann eine Atmosphäre geschaffen werden, die von Offenheit und Gleichwertigkeit geprägt ist. KlientInnen können so Gefühle von Distanz und Fremdheit abbauen. Ein informelles Klima entsteht, das SozialarbeiterInnen und KlientInnen den Kontakt zueinander erleichtert. Humor signalisiert hier: Ich bin aufgeschlossen für deine Problematik, ohne über den Kontext in dem du lebst / leben mußt entzetzt zu sein. Vor allem bei schambesetzten Themenbereichen hat ein von Anfang an humorvoller Umgang eine entspannende Wirkung auf die KlientInnen. Sie können sich von Scham und Schuldgefühlen etwas lösen und werden für den weiteren Beratungsprozeß offener.

Manche SozialarbeiterInnen schrecken allerdings davor zurück, schon im Erstkontakt Humor einzusetzen. Für sie braucht Humor eine Basis gegenseitigen Verstehens und Vertrautseins um sich tatsächlich als hilfreich für die Klientinnen zu erweisen. In humorvollem Agieren liegt für sie immer auch die Gefahr, Grenzen persönlicher Betroffenheit von KlientInnen zu überschreiten oder die Problematik der KlientInnen zu bagatellisieren. Ist die Problemlage thematisiert und der KlientIn in ihrer Betroffenheit Akzeptanz vermittelt, besteht die Möglichkeit im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit durch den Einsatz von Humor eine entspannte Atmosphäre zu vermitteln, die dann dazu beiträgt, dass KlientInnen sich von ihrer Problematik etwas distanzieren können und dadurch zu neuen Sichtweisen auf ihre Situation angeregt werden.

Durch eine von der Sozialarbeiterin initiierte humorvolle Sichtweise werden KlientInnen also befähigt, sich von der Problemfokussierung zu lösen und dadurch ihre Problemsicht zu relativieren. Andere statthafte Wirklichkeitskonstruktionen können wahrgenommen, Denkstrukturen aufgebrochen, neue Deutungsangebote angenommen und schließlich neue Handlungsstrategien erkannt werden.

Humor wirkt sich zudem förderlich auf Kritikfähigkeit aus. Humorvoll geäußerte Kritik wird von KlientInnen eher akzeptiert. Wenn SozialarbeiterInnen im KlientInnenkontakt über eigene Fehler lachen können, füllt es den KlientInnen leichter sie zu kritisieren. Die Botschaft lautet hier: SozialarbeiterInnen sind nicht omnipotent, sondern in ihren Handlungen ebenso Selbstkritik und Kritik durch Dritte unterworfen, wie dies KlientInnen an sich selbst erleben.

Bei KlientInnen, deren Lebenssituation durch starke Trauergefühle, Depressionen oder einen psychotischen Schub gekennzeichnet ist, sind humorvolle Interventionen nicht angebracht. Dazu gehüren auch Personen, die durch Folter, sexuellen Mißbrauch oder Vergewaltigung traumatisiert sind, so dass sie sich nicht von ihrer massiven Problematik distanzieren können. Eine humorvolle Intervention würde hier verstärend wirken.

Von den möglichen Techniken zur Gestaltung von humorvollen Interventionen wurden hauptsächlich übertreibungen, Wortspiele, paradoxe Interventionen und Metaphern genannt. Die Anwendung von Schwarzem Humor scheint nicht von Belang zu sein. Im Umgang mit suizidalen KlientInnen kann diese Form des Humors allerdings auch als positiv verstörend und aufrüttelnd erlebt werden und den oben beschriebenen Effekt der Neuinszenierung von Realität haben.

Humor kommt aber nicht nur in der Arbeit mit Klienten zum Tragen, sondern auch in der Teamarbeit. Gemeinsames Lachen wirkt beziehungsstiftend und fördert den Zusammenhalt im Team. In dieser entspannten Atmosphäre können Fehler leichter eingestanden und Hierarchiegefülle zwischen den einzelnen Mitarbeiterinnen gemildert werden. Wenn allerdings abwertende Witze auf Kosten einzelner Teammitglieder gemacht werden, wird Lachen als verletzend und ausgrenzend erlebt.

Ein humorvoll – kreativer Arbeitsstil wird von SozialarbeiterInnen als bereichernd erlebt und führt zur Distanzierung von eigenen Wert und Normvorstellungen, so daß sich neue Deutungs- und Handlungsalternativen erschließen. Die Produktivität der Arbeit kann durch realitätsferne Lösungsansätze die nicht umsetzbar sind allerdings gehemmt werden.

Sehr auffällig ist, dass sich alle befragten SozialarbeiterInnen durch Humor von den psychischen Belastungen ihrer Arbeit distanzieren können:

Sie vermeiden es, sich mit den KlientInnen und deren Problemlagen zu identifizieren und erleben sich dadurch als kreativer im Erarbeiten und „Aufstöbern“ von Lösungsstrategien. Humor wird als Selbstschutz instrumentalisiert um über eine „liebevoll humorige“ Sichtweise Abstand zu gewinnen und handlungsfähig zu bleiben. Hilflosigkeit in besonders belastenden Situationen wird allerdings auch mit Ironie gegengesteuert, um innerlich von der Situation abrücken zu können und sich nicht als machtlos und handlungsunfähig erleben zu müssen. Die Variante der liebevoll – humorigen Distanzierung wird allerdings als souveräner erlebt und positiver konnotiert.

Auch im Team ist Humor ein Ventil, um sich von der Problematik der KlientInnen zu distanzieren. Die Qualität der Beziehung und die Ähnlichkeit im Humorverständnis der Kolleginnen untereinander erleichtert es, die Belastungen des Arbeitslebens zu bewältigen.
Diese Bewältigungsstrategie scheint am besten mit schwarzem Humor möglich zu sein. Hierzu lassen sich Gegenpositionen feststellen. Vor allem die SozialarbeiterInnen, die schwarzen Humor prinzipiell ablehnen, finden ihn auch im Team nicht angebracht. Sie nehmen zwar die entlastende Komponente wahr, befürchten aber, daß sich schwarze Witze über das Verhalten der KlientInnen nachteilig auf die Beziehung zwischen Sozialarbeiterin und Klientin auswirken könnten.

Durch gemeinsames Lachen (im Team) über Mitarbeiterinnen anderer Institutionen, mit denen es immer wieder auch zu Konflikten kommt, wird Ärger abreagiert und die weitere Zusammenarbeit kann entspannter und weniger von Vorurteilen und Aggressionen geprägt gestaltet werden.

Fazit

Wir haben festgestellt, daß die sozio demographischen Merkmale sich folgendermaßen auf die Arbeit mit Humor auswirken:

Das Geschlecht der Sozialarbeiterin scheint sich nicht erkennbar auf die Art und Weise der Anwendung von Humor auszuwirken.

Das Lebensalter ist weniger relevant, als die Berufserfahrung. Allerdings ist diese Berufserfahrung nicht nur auf professionelle Sozialarbeit bezogen, sondern auf alle Tätigkeiten im psycho sozialen Bereich, wie zum Beispiel pflegerische und ehrenamtliche Arbeit, die die Befragten vor ihrer Ausbildung zur Sozialarbeiterin ausgeübt haben.

Zusatzausbildungen, hier vor allem systemische, scheinen sich auf die Arbeit mit Humor auszuwirken. Die SozialarbeiterInnen können dann ihren humorvollen Arbeitsstil auf theoretische Grundlagen zurückführen, und Techniken dieses Stils benennen. Das heißt, sie können ihr humorvolles Handeln konkret als professionell begreifen und sicher und reflektiert einsetzen. Da die Anwendung dieses Stils für sie selbst professionell begründbar ist, können sie ihre Arbeitsweise auch dritten gegenüber fachlich darstellen und legitimieren. Wir haben den Eindruck, daß Befragte ohne Zusatzausbildung Humor ebenfalls sicher anwenden, ihr Vorgehen allerdings keinem bestimmten professionellen Verfahren zuordnen können. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit Humor können sie ihre humorvollen Interventionen zwar begründen, aber nicht mit professioneller Sicherheit anwenden und darstellen.

Die Anwendung von Humor in der Sozialen Arbeit scheint vor allem vom persönlichen Erfahrungshintergrund und von der Fähigkeit zur Reflexion der jeweiligen Sozialarbeiterin abzuhängen. Auffällig ist, daß SozialarbeiterInnen die Humor anwenden, sich selbst Fehler zugestehen und über diese Fehler auch lachen künnen. Sie haben keinen übertriebenen perfektionistischen Anspruch an ihre persönliche Arbeitsleistung. Sie sehen ihre beruflichen Erfahrungen als stetigen Lernprozeß, der zu zunehmender Sicherheit im Umgang mit den KlientInnen führt und dadurch den Einsatz von Humor erleichtert.
Das Menschenbild scheint durch folgende Vorstellungen geprägt zu sein:
Jeder Mensch befindet sich ein Leben lang in Entwicklungsprozessen. Er hat ein Anrecht darauf, während dieser Entwicklung auch Fehler zu machen. Dieses Recht auf Fehler sollte von ihm selber und anderen akzeptiert werden. Eine humorvolle Haltung steht für die Befragten in Zusammenhang mit der Möglichkeit und dem Willen zur persönlichen Weiterentwicklung. Kann man eine humorvolle Sichtweise auf das Leben und die eigene Persönlichkeit in der Interaktion mit der Umwelt einnehmen, führt das zu einem liebevolleren Umgang mit sich und den eigenen Fehlern.

Trotz gesellschaftlicher Zusammenhänge, die Menschen in ihrer Entwicklung benachteiligen und von ihnen als unveränderbar erlebt werden, kann eine humorvolle Lebenseinstellung dazu beitragen, daß Menschen sich psychische Stabilität und Unversehrtheit erhalten. Das heißt, sie können die unveränderbaren Grenzen ihres Lebens und Handelns erkennen, aber sich trotzdem Handlungsspielräume innerhalb dieser inneren und äußeren Begrenzungen schaffen. Am Beispiel von drogenabhängigen Aidskranken bedeutet dies, daß sie akzeptieren, todkrank zu sein und trotzdem ihr Leben als lebenswert definieren. Sie sehen dann wieder Möglichkeiten, ihr Leben – trotz der tödlichen Krankheit – selbstbestimmt zu gestalten.

Bei schwierigen Entwicklungsprozessen oder bedrückenden Lebensumständen sollten Menschen auch die positiven Seiten ihres Lebens wahrnehmen und erleben können. Menschen haben das Recht auf ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben, unabhängig von der Bewertung anderer. Sie haben ein Anrecht auf Würde, Achtung und Wertschätzung, ungeachtet ihrer individuellen Lebensgestaltung.

Dieses Menschenbild führt dazu, daß die SozialarbeiterInnen ihren KlientInnen mit einer akzeptierenden Haltung begegnen. Sie haben eine tolerante Einstellung gegenüber den Lebensentwürfen und Verhaltensweisen ihrer KlientInnen.

Es geht den Befragten darum, ihre KlientInnen bei der Alltagsbewältigung zu unterstützen, und ihnen neue Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Sie sind der Meinung, daß Humor dazu beitragen kann, und daß es möglich ist, sich mittels Humor von der eigenen Problematik zu distanzieren. Durch diese Distanz kann eine andere Sichtweise auf das Problem eingenommen werden. Das heißt, das Problem wird in einem anderen Kontext gesehen und dadurch relativiert. Durch diesen erweiterten Kontext können sich neue Deutungsmuster erschließen und neue Handlungsansätze zur Problemlösung möglich werden. Dies kann den KlientInnen ermöglichen, ihren eigenen Schwächen und Fehlern gegenüber eine tolerantere Haltung einzunehmen.

Wenn die SozialarbeiterInnen darüber hinaus ihren KlientInnen eine humorvolle Lebenseinstellung vermitteln können, haben sie die Hoffnung, daß ihre KlientInnen dadurch eine optimistischere Sicht auf ihr Leben einnehmen können. Die SozialarbeiterInnen glauben, daß sie diesen, von ihnen gewünschten Entwicklungsprozeß eventuell durch das Beispiel ihrer eigenen humorvollen Grundhaltung anstoßen können.

Sie arbeiten zielgerichtet mit Humor, wobei sie überwiegend diesen Arbeitsstil nicht als Methode bezeichnen, sondern entweder als Technik oder als innere Haltung.

Alle Befragten sind sich bewußt, daß Humor neben dem hilfreichen, auch einen verletzenden Aspekt hat. Eine humorvolle Intervention der Sozialarbeiterin kann von der Klientin auch als kränkend empfunden werden. Bei humorvollen Interventionen beobachten die Befragten, ob ihr Gegenüber versteht, wie diese Äußerung im Kontext der Gesprächssituation und der Problemlage gemeint ist.

Die Befragten sind der Meinung, daß zur Entwicklung und Anwendung humorvoller Interventionen im sozialarbeiterischen Kontext Mut gehört, um das Risiko eines unkonventionellen Arbeitsstils einzugehen. Dieser Arbeitsstil ermöglicht es, die eingefahrenen und anerkannten Bahnen der Sozialarbeit zu verlassen. Die konventionelle, eher durch einseitige Ernsthaftigkeit geprägte, Arbeitshaltung wird um einen konstruktiv humorvollen Aspekt ergänzt.

Für die SozialarbeiterInnen hat dieser humorvolle Aspekt zudem den Vorteil, daß sie die Arbeitsatmosphäre als angenehmer und „lockerer“ empfinden. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Befragten die Problematik der KlientInnen mittels Humor bagatellisieren. Humor soll vielmehr zur Problemlösung beitragen. Des weiteren kann durch Humor eine Beziehung zur Klientin hergestellt oder die schon bestehende Beziehung positiv beeinflußt werden.

Für sich selber nutzen alle Befragten den distanzierenden Effekt einer humorvollen Haltung, um eine Identifikation mit der Problematik der KlientInnen zu vermeiden. Dies ermöglicht ihnen, den Belastungen ihres Berufes standzuhalten und arbeitsfähig zu bleiben.

Humor hat für die KlientInnen und die SozialarbeiterInnen also tatsächliche positive Auswirkungen. Humor ist in der Sozialen Arbeit möglich und sinnvoll.

Unsere Hypothese, daß eine besonders belastende Problematik des Klientels einen eher ernsten Arbeitsstil hervorbringt, ließ sich also nicht erhörten. Vielmehr scheint Humor in diesen Arbeitsfeldern besonders wichtig zu sein, sowohl für die KlientInnen, als auch für die SozialarbeiterInnen.

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