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Lachen allem zum Trotz

Autoren: Pater Ludwig Zink

Lachen allem zum Trotz eine aufmüpfige Besinnung an herben Tagen

Vor einiger Zeit rief mich eine Gutbekannte an, die krebskrank war. Sie sagte am Telefon: Du kannst bei mir das schöne Schachspiel holen. Ich gehe jetzt nach Arlesheim, um dort zu sterben. Ich werde nicht mehr in meine Wohnung zurückkehren. Ich sagte ihr: Weißt Du, Du bist mir am Leben schon lieber, als das Schachspiel, wenn Du tot bist. Sie ist nun in Arlesheim gestorben, und nun denke ich daran, wie wir trotz der ernsten Situation am Telefon lachen mussten. Es war eine Art Galgenhumor. Als ich den Hörer auflegte, kam mir Gedicht von Wilhelm Busch in den Sinn:

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim.
Er flattert sehr, er kommt nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu.
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt der dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frisst,
so weil ich keine Zeit verlieren,
will noch ein wenig quinquilieren
und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.

Die Katze, die auf den armen Vogel unweigerlich und unaufhaltsam auf sachten Sohlen zukommt, ist ein Symbol des Todes. Der Kleb, der den Vogel auf dem Ast noch eine Zeit lang festhält, ist alles, was uns noch am Leben festhalten will, obwohl die Ernsthaftigkeit der Krankheit keinen Zweifel daran lässt, was die Stunde geschlagen hat. Die kurze Zeitspanne, die uns noch gegönnt ist, bewahrt uns davor, uns grosse Illusionen über die Zukunft zu machen. Der Humor erspart uns den Aufwand, die Wirklichkeit anders zu interpretieren, wie sie ist und sie anders zu sehen als sie ist. Wir machen uns keine Illusionen mehr über die Zukunft, man akzeptiert die Wirklichkeit, wie sie ist – mit einem Stück Galgenhumor. Gerade im Alter spielen die Zukunftsillusionen keine Rolle mehr. Der Tod ist die Zukunft. Lachen, wenn es nichts mehr zu lachen gibt, ein Trotzdemlachen kann einsetzen.
Was in diesem Gedicht einen fasziniert, liegt wohl darin, dass der Vogel die kleine Zeitspanne, die ihm noch gegönnt ist, zum Quinquilieren benutzt. Er lebt ganz im Jetzt, als gebe es keine todbringende Zukunft.
Vor einiger Zeit las ich die Erinnerungen des spanischen Cellisten Pablo Casals und strich mir einige Sätze an, die mir die Schönheit des kurzen Zeitraumes, den wir leben und füllen dürfen, bewusst macht:
Die Menschen sind in hektischer Bewegung, aber wohin die Reise führt, bedenken sie kaum. Sie suchen Erregung um jeden Preis, als ob sie hoffnungslos wären. Die natürlichen, ruhigen und einfachen Dinge dieses Lebens machen ihnen wenig Freude. Jede Sekunde, die wir in diesem Universum verbringen, ist neu und einzigartig. Dieser Augenblick war zuvor nicht und wird nie wiederkehren…..
Ich bin jetzt über dreiundneunzig Jahre alt, also nicht gerade jung, jedenfalls nicht mehr so jung, wie ich mit neunzig war. Aber Alter ist überhaupt etwas Relatives. Wenn man weiter arbeitet und empfänglich bleibt für die Schönheit der Welt, die uns umgibt, dann entdeckt man, dass Alter nicht notwendigerweise Altern bedeutet, wenigstens nicht Altern im landläufigen Sinne. Ich empfinde heute viele Dinge intensiver als je zuvor, und das Leben fasziniert mich immer mehr.

Aber vielleicht steckt hinter dem Quinquinlieren noch eine tiefere Botschaft. Vor Jahren hat der Soziologe Peter Berger ein Buch geschrieben, das den Titel trägt: Auf den Spuren der Engel . Er ermutigt darin, die Theologen den Spuren der jenseitigen Welt in dieser Welt nachzugehen wie zum Beispiel dem Spiel der Kinder inmitten der Kriegszeit, den vielleicht gedankenlos, doch Mut machenden Worten der Mutter, wenn ein Kind ängstlich in der Nacht erwacht und sie sagt: Es ist alles in Ordnung , es wird alles wieder gut . Mit welchem Recht lässt sich sagen, dass in dieser Welt alles gut sei? Es geht im Buch um diese alltägliche Erfahrungen und ihre Deutungen, die eigentlich im letzten innerweltlich unerklärbar sind. Warum sollte ein Mensch im Angesicht des Todes lachen, wie ich dies beim eingangs erwähnten Telefongespräch erfahren habe? Warum sollte er in aller Freiheit mit dem Quinqulieren anstelle des Lamentierens beginnen? Es geschieht vermutlich doch aus einer Haltung einer Grundgeborgenheit, die wir nur in Gott haben und dieses grundlose Angenommenseins wird zum Hinweis auf eine jenseitige Welt, die uns inmitten des Diesseits umgibt und trägt. Und Gott möge es geben, dass das fröhliche Quniquilieren in jeder Lebenssituation in uns wächst und Gestalt annehmen kann.

Pater Ludwig Zink

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