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Rettet die Purzelbäume

Autoren: Alfred Kirchmayr

Kinderwitz und Kindlichkeit Kreativer Ausdruck von List, Lebenslust und Lebensweisheit

Ein heiterer Essay

Ernstheitere Einblicke in die Kindlichkeit vom Witzlandschaftspfleger, BewusstseinserHeiterer und Psychoanalytiker Alfred Kirchmayr (Wien)

Lasst euch die Kindheit nicht austreiben. Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt ist ein Mensch (Erich Kästner)

Nieder mit der Schwerkraft! Es lebe der Leichtsinn!

„Von Kindern lernen und die Kindlichkeit pflegen!“

Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt, euren Sinn ändert und wieder werdet wie Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen . (Mt 18, 5) Dieses tiefsinnige Bibelwort ist – theologisch und psychologisch betrachtet – von grundlegender Bedeutung für den dauernden Veränderungsprozess des Mensch-Werdens und die Überwindung von tierischem Ernst und anderen Formen der Verkalkung und Erstarrung.

Denn Kinder sind noch mit offenen Sinnen unterwegs: sie fühlen und spüren, sie sehen und hören, sie empfinden und spielen. Kinder können noch ganz Auge, ganz Ohr, ganz Bewegung und beschwingt sein. Sie spielen mit allem und jedem, sie fragen und hinterfragen alles. Sie nehmen nichts fraglos hin, solange sie Kind sein können und mit ihren offenen Sinnen auch noch den Mund aufmachen dürfen und nicht wörtlich verstanden entmündigt werden! Ausdrücke wie Halt den Mund, oder: Frag nicht so blöd sind uns allen bekannt.

* Lena beschwert sich: Eltern sind komische und verrückte Wesen! Erst bringen sie einem das Reden bei und wenn man es gut kann, sagen sie dauernd: Halt den Mund!

Wie anders ist dagegen die Botschaft des folgenden küstlichen Witzes, der von einem armen sibirischen Juden handelt:

* Papa, wie heißt der höchste Berg der Welt? fragt der aufgeweckte kleine Schmulik. Weiß ich nicht. Zwei Minuten später: Papa, wie heißt der König von Italien? Weiß ich nicht , erwidert der Vater und kratzt sich am Kopf. Papa, wieso kocht das Wasser bei hundert Grad? Verflixt noch mal, sagt der Vater, das weiß ich auch nicht! Es vergehen einige Minuten, in denen keiner etwas sagt. Dann schaut der Vater seinen Sohn an und sagt mit einem gutmütigen Lächeln: Frag nur, frag, mein Sohn! Sonst lernst du ja nie was dazu!

Kinder wehren sich gegen die Heiligsprechung der berühmten drei Affen: Nichts hören! Nichts sehen! Nichts sagen! Sie sind auf – geschlossen und noch nicht verschlossen und vertrottelt das Wort kommt vom Dahintrotten ohne Achtsamkeit nach innen und außen, ohne Aufmerksamkeit, ohne verändernde Neugier, ohne erotische Beziehung zum Leben, zur Natur und zu den Mitmenschen. Sigmund Freud hat sich angesichts der vielen fertigen, lustlosen und frustrierten Erwachsenen gefragt, was da passieren muss, damit aus lustigen, lachenden, bewegten, phantasievollen und begeisterten Kindern solche Frustbomben werden können!

* Der Schulrat prüft die Klasse und ist sehr unzufrieden. Zum Schluss fragt er nach einem Sprichwort. Da meldet sich Klaus und sagt: Ein Narr fragt mehr, als zehn Weise wissen können!

Kinder sind vom „himmlischen Eros“ beseelt.

Im Kindlichen ist der himmlische Eros (Sigmund Freud) voll Lust, Liebe, Vernunft und Begeisterung unterwegs, die geheimnisvolle Welt zu erkunden. Was oft nicht bedacht wird: Vernunft kommt von vernehmen , mit allen Sinnen aufnehmen und prüfen, was der Fall ist. Deshalb spricht man von pädagogischem Eros, wenn Lehrer mit Lust, Liebe und Interesse unterrichten. Das Wort vernünftig wird meistens völlig falsch verstanden und verwendet! Die Aufforderung Sei doch vernünftig! bedeutet meistens. Passe dich brav der üblichen Sichtweise und dem normierten Verhalten an!

Doch die kindliche Wahrnehmung und Erfahrung von Wirklichkeit führt zu kreativen, ungewöhnlichen, listigen und lustigen Auffassungen von Dingen und Menschen. Das Kind spielt unbefangen und sinnennah mit allem, was es vorfindet: mit Worten und Gedanken, mit Klängen und Anklängen, mit Dingen, Normen und Verhaltensweisen. Es ist noch nicht in Gewohnheiten festgefahren in Wahrnehmungs-, Auffassungs-, Denk-, Fühl- und Bewertungsgewohnheiten.

Auf alles wirft es seinen offenen Blick und bringt Küstliches zum Vorschein, indem es die Oberfläche der Gewohnheit und die oberflächliche Auffassung durchbricht. Freud wusste es: Worte sind ein plastisches Material, mit dem sich allerlei anfangen lässt. (1992, 50) Kinder fassen Worte und Ausdrucksweisen ganz wörtlich und sinnennah auf. Sie haben noch Witz, sie sind nicht uz den wizzen gekommen. Das heißt nämlich althochdeutsch den Verstand und die Besinnung verlieren! Weiters sind sie die geborenen Philosophen, Wissenschafter und Empiriker. Sie überprüfen alles Mögliche. Das kann auch mal zu Peinlichkeiten führen:

* Die vierjährige Hilde strahlt ihre Tante an und sagt: Schön, dass du gekommen bist, Tante Lena! Heute früh hat Vati gesagt: Tante Lena fehlt uns gerade noch!

* Tante Elsa ist bei Familie Fischer zu Besuch. Würdevoll sitzt sie im Wohnzimmer. Die Mutter und die vierjährige Betty sind noch in der Küche beschäftigt. Plözlich läuft Betty ins Wohnzimmer zur Tante und schleckt ihr Kleid ab. Nochmals kostet es das Kleid und dann sagt sie: Das Kleid ist wirklich geschmacklos!

Auch diese da sind küstliche Produkte kindlicher Sprachauffassung:

* Zwei kleine Mädchen schleichen viel zu spät nach Hause. Sagt die eine: Jetzt wird meine Mutter wieder kochen vor Wut! Meint die Freundin erstaunt: Du hast es gut! Ich krieg so spät nie was Warmes zu essen!

* Der kleine Franzi hat sehr strenge Eltern. Von beiden wird er immer wieder verdroschen. Als sie den Urlaub am Bauernhof planen, weigert er sich energisch, mitzufahren, weil es dort Dreschmaschinen gibt!

* Die Erstklässerin Susi liest langsam die Zeitung. Plötzlich fragt sie erstaunt ihre Mutter: Ist denn der liebe Gott krank? Wieso denn das? fragt die Mutter überrascht. Sagt Susi aufgeregt: Hier steht geschrieben: Der liebe Gott hat den Gemeindearzt Dr. Schulze zu sich gerufen !

Sigmund Freud hat in seinem genialen Werk Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten nachgewiesen, dass der Witz aus dem kindlichen Spiel und der kindlichen Lebenslust und Lebensfreude entsteht. Wir Menschen sind unermüdliche Lustsucher. Der Witz entsteht also dadurch, dass ein Gedanke kurz ins Unbewusste baden geht, also in das Kindesalter der Vernunft eintaucht und dadurch die häufige Witzlosigkeit der Erwachsenenwelt entlarvt. Freud hat es so gesagt: Das Denken wird für einen Moment auf die kindliche Stufe zurückversetzt, um so der kindlichen Lustquelle wieder habhaft zu werden. (1992, 183) Durch ungewöhnliche Auffassungen entstehen überraschende und oft witzige neue Wort- und Gedankenverbindungen:

*Ein älteres unverheiratetes Kindermädchen erzählt ihrem kleinen Zügling: Stell dir vor, Franzi, wie ich gestern spät abends von dir weggehe, steht beim Haus ein verdächtig aussehender junger Mann. Oh, wie ich gelaufen bin! Da fragt Franzi neugierig: Na und hast du ihn auch erwischt?

* Hans fragt seinen Freund Hubert: Wie geht es deinem Vater? Ach, gestern hat er wieder einen Schlaganfall gehabt! Da sagt Hans besorgt: Das ist doch nicht dein Ernst! Doch, sogar einen ganz heftigen! Sieh dir bloß mal die blauen Flecken auf meinem Hintern an!

* Werner ist der Witzbold der zweiten Klasse. Er geht mit seinen Freunden an einer Würstelbude vorbei. Heiße Würstchen! Heiße Würstchen! ruft der Verkäufer. Werner verbeugt sich höflich und sagt: Angenehm! Heiße Meier!

* Erdkunde. Der Lehrer fragt Klaus: Kennst du die Fahnen einiger anderer Völker? Na klar! Der Schotte riecht nach Whisky, der Russe nach Wodka, der Italiener nach Rotwein und der Bayer nach Bier!

Dem innern Kind Spiel-Raum geben

Zum Glück im doppelten Sinn verstanden! hat auch jeder erwachsene Mensch, mehr oder weniger entfaltet oder unterdrückt, ein Wesen in sich, das sich gegen verdummendes Fertigmachen sträubt, das uns hilft, offen und lebendig zu bleiben beziehungsweise zu werden, immer wieder, immer wieder neu. Das ist unser inneres Kind, unsere Kindlichkeit, die nicht resigniert, die uns ihre Weisheit, Lebenslust und Aufmüpfigkeit zulächelt. Diese Kindlichkeit ist mit dem Clown verwandt, der sich ungewöhnlich komisch aufführt und der auch dann nicht aufgibt, wenn etwas immer wieder schief geht. Denn der Clown ist ein Stehaufmännlein, das sich trotz allem nicht entmutigen lässt. (Galli 1999)

Lassen Sie sich diesen küstlichen Witz auf der Zunge zergehen. Er entwaffnet listig einen verkorksten Lehrer:

* Der siebenjährige David ist im Unterricht eingeschlafen. Der Lehrer sieht das, geht zornig zum Dreikäsehoch und gibt ihm einen kräftigen Stoß. Dann fragt er verärgert: Was bist du?! Sagt David: Ich bin ein aufgeweckter Schüler!

Auch dieser zeigt einen sehr listigen Kerl, der sich nicht einschüchtern und entmutigen lässt. Wie viele gute Kinderwitze lebt er vom Wörtlichnehmen gewohnter Phrasen:

* Der achtjährige Max kommt mit dem Zeugnis nach Hause und zeigt es dem Vater. Der guckt es verärgert an und sagt dann sehr ernst und böse: Dieses Zeugnis lässt aber viel zu Wünschen übrig! Prima, Papa! sag Max strahlend: Ich wünsche mir neue Fußballschuhe!

Erich Kästner war ein Anwalt dieser Kindlichkeit. In seiner ebenso geistreichen wie humorvollen Ansprache zum Schulbeginn hat er treffende Worte gefunden: Früchtchen seid ihr, und Spalierobst müsst ihr werden! Aufgeweckt wart ihr bis heute, und einwecken wird man euch ab morgen Vom Baum des Lebens in die Konservenfabrik der Zivilisation. Lasst euch die Kindheit nicht austreiben! Schaut, die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch! (1995, 14)

Heute wird das Spielerische oft entwertet. In Ausdrucksweisen wie das ist doch bloß eine Spielerei oder spiel doch nicht blöd herum! kommt diese Verachtung zum Ausdruck. Dagegen steht die Einsicht gescheiter Leute wie Schiller und Nietzsche, die das Spielen enorm hoch schätzen:

Reife des Mannes (und der Frau, A.K.): das heißt den Ernst wieder gefunden zu haben, den man als Kind hatte, beim Spiel – so sagte es Friedrich Nietzsche. (1956, Bd.2, 629) Und sein älterer Vornamenskollege Schiller brachte die gleiche Einsicht ebenfalls zur Sprache: Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. (Kamper 1993, 164)

Dagegen entlarvt der folgende Irren – Witz den ganz normalen Wahnsinn von altgierigen und fertigen Erwachsenen, die sich und andere fertig machen und mit verblädeten Sinnes- und Besinnungsorganen auf eingefahrenen Gleisen dahintrotten. Es ist zwar für uns alle mehr oder weniger schwer, eingefahrene Gleise und Gewohnheiten zu verlassen, aber Kinder sind noch neu-gierig:

* Zwei Irre flüchten aus der Anstalt und laufen auf den Eisenbahnschienen entlang. Da sieht der eine kurz nach hinten und sagt: Hinter uns kommt ein Zug! Dann müssen wir das Gepäck wegwerfen und schneller laufen! Also geschieht es. Der eine blickt nochmals nach hinten und sagt: Der Zug ist schon ganz knapp hinter uns! Sagt der andere: Wenn jetzt nicht sofort eine Weiche kommt, sind wir verloren!

Die gefährliche Macht des Man und den tierischen Ernst überlisten

Wenn wir Erdenbürger den mütterlichen Swimmingpool verlassen, kommen wir unfertig auf die Welt. Wir erblicken das Licht der Welt, das häufig von selbsternannten Herrschaften verdunkelt wird. Und dann macht Man uns mehr oder weniger systematisch fertig. Man versucht, meistens viel zu erfolgreich, Menschen aus uns zu machen, die mit den blöden Maulwurfsaugen der Selbstsucht (Immanuel Kant) die Dinge des Lebens betrachten. Dadurch kann der Blick für die großen Zusammenhänge und für die Hingabe an das jeweils Gegenwärtige, die Lebenslust und Lebensfreude kaputt gemacht werden.

An der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen lehrte einst der sprachgewaltige Bibelwissenschafter Friedolin Stier. Wie die meisten seiner Priester-Kollegen hatte er eine junge Freundin. Diese verunglückte tödlich. Friedolin Stier nahm das fünf Jahre alte gemeinsame Kind selbstverständlich zu sich. Sofort kam ein vom Bischof beauftragter Prälat zu ihm und teilte ihm mit, dass er das Kind in ein Heim weggeben müsse, ansonsten dürfe er nicht mehr an der Theologischen Fakultät lehren! Er entschied sich für das Kind und bekam Lehrverbot. In seinem Testament legte er fest, dass er verkehrt herum in den Sarg gelegt werden will, damit die Fakultätskollegen seinen A. lecken können! In seinem geistreichen und melancholischem Buch Vielleicht ist irgendwo Tag hat er die gefährliche Macht des Man treffend beschrieben:

Den Menschen verknechtende, seinem Selbst entfremdende Macht: Man ist ihr Name. Man denkt so Man spricht so Man tut so Man kleidet sich so Man benimmt sich so Man lebt so Man ist so Wer ist Man? Ich schreibe Man groß. Denn Man ist eine Großmacht. Überall krieg ich es mit Man zu tun, alle Tag macht Man mir zu schaffen. Man ist in mir, Man ist um mich herum, ich lebe im Man. Ich erschrak, als ich eines Tages entdeckte, dass ich bin, wie Man ist. Die Augen sind mir aufgegangen. Ich weiß seitdem, was mit mir los ist: Man hält mich gefangen, Man ist mein Kerker. Ich hasse Man! Man arbeitet leise, Menschen formend nach seinem Bild Man – Menschen laufen mit Buckeln herum, ihre Augen sind blöd, ihre Ohren doof Ich weiß nur, dass Man über Jesus keine Macht hatte (1981, 21)

Diese Herrschaft des Man fördert tierischen Ernst, macht uns oft genug witzlos, humorlos, leblos und fade! Die Macht des Man erwürgt das Kind in uns, macht es schwer, alle Sinne für das vielfältige und geheimnisvolle Spiel des Lebens offen zu halten! So wird in der Schule häufig das Interesse an der geheimnisvollen Welt nicht nur nicht geweckt, sondern eingeschläfert. Der geistreiche Schriftsteller Egon Friedell klagt diese einseitige Ernsthaftigkeit an:

Das schlimmste Vorurteil, das wir aus unserer Jugendzeit mitnehmen, ist die Idee vom Ernst des Lebens. Daran ist die Schule schuld. Die Kinder haben nämlich den ganz richtigen Instinkt: sie wissen, dass das Leben nicht ernst ist, und behandeln es als ein Spiel und einen lustigen Zeitvertreib. Aber dann kommt der Lehrer und sagt: `Ihr müsst ernst sein. Das Leben ist es auch` . (Lorenz 1994, 335f.)

Es ist schon so. Wir neigen allzu sehr dazu, uns selbst und das Leben tierisch ernst, nicht humorvoll ernst zu nehmen – nach dem Motto: Ich gehe vor die Hunde – gehst du mit?

Dieser Witz bringt eine gefährliche Resignation zum Ausdruck, ein bloßes Hinnehmen der Man -Herrschaft.

* Zwei kleine Schweinchen unterhalten sich. Da sagt das eine nachdenklich: Was wird denn in Zukunft aus uns werden? Meint das andere: Ach, das ist doch Wurst!

Der dagegen ist küstlich und weist darauf hin, wie wichtig List fürs ganze Leben ist:

* Die Seehundmutter sagt besorgt zu ihrem Kind: Ich habe lange über deine Zukunft nachgedacht! Du hast nur zwei Möglichkeiten: Entweder du lernst jonglieren, oder du wirst ein Pelzmantel!

Den vom Man geforderten Blick nach oben umbrechen !

Das urchristliche Menschenbild ist e-norm, im doppelten Wortsinn. Es stellt oft die herrschende Wertordnung auf den Kopf. Die gefährlichsten Weltanschauungen werden nämlich von denen entworfen, die die Welt und die Menschen nicht wirklich anschauen! Es ist leider so, dass arme Narren in psychiatrische Anstalten gesteckt werden, während unheimlich gefährliche Wahnkranke – Allmachtswahnkranke – an den Schalthebeln der Weltmacht herumsitzen und unser aller Leben und Lebendigkeit bedrohen. Die schrecklichste L (R) egierung besteht aus der Verbindung von Neandertalermentalität und nuklearer Hochrüstung wie es bei Bush-Männern der Fall ist!

Der Schriftsteller und Theologe Adolf Holl hat die christliche Umkehr des Blicks in seinem küstlichen Buch Mystik für Anfänger so beschrieben: Der bewundernde Blick in die Höhe, zu den Geistesriesen, Kapazitäten, Pyramiden, Domspitzen, Wolkenkratzern usw. muss umgebrochen werden. Dieser Ausdruck stammt von Ernst Bloch, und ich darf die entsprechende Stelle (aus dem Prinzip Hoffnung ) zitieren: Zu einem Kind, das im Stalle geboren, wird gebetet. Näher, niedriger, heimlicher kann kein Blick in die Höhe umgebrochen werden

Die Bewegungsrichtung der christlichen Frohbotschaft und Achtsamkeit geht nach unten. Das ist ungewöhnlich, denn: Vom zartesten Kindesalter an gibt es in unserem Leben die belehrenden Zeigefinger. Sie weisen auf allerlei Bedeutendes, Großartiges, Gewaltiges. Sie wollen in uns Respekt, Ehrfurcht, Bewunderung erzeugen, in jedem einzelnen Fachgebiet, von der Religion bis zur Mathematik. Nach acht oder zwölf Schuljahren ist dann die Kategorie der Bedeutsamkeit fest verankert: Ein Millionär ist bedeutender als ein Altersrentner. Ein Fußballstar wichtiger als ein Postbote. Eine Schlagersängerin faszinierender als eine Friseuse . (1999, 14-17)

Eine feministische Phantasie über die Geburt Jesu: * Maria gebar eben ihr göttliches Kind. Josef nimmt es auf den Arm, guckt es genau an und ruft entzückt aus: O Gott, a Möderl!

Die abendländische Geschichte wäre völlig anders verlaufen: Nur Frauen dürften dann Priesterin werden, nur Frauen dürften dann ihre Stimme erheben!

Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch!

Diese weise Einsicht in das Wesen des Menschen stammt, wie schon erwähnt, von Erich Kästner. Aber die Unterwerfung unter die Herrschaft des Man macht es schwer, Mensch zu werden und auch zu bleiben! Da muss man nämlich viele neurotische Hemmungen, Kulturheuchelei (Sigmund Freud) und verlogene Normen überlisten und überwinden. Und Kinder können uns mit ihrem Witz dabei sehr viel helfen!

Astrid Lindgren, deren erstes Kunstwerk Pipi Langstrumpf in Deutschland lange Zeit keinen Verleger fand, weil es die Moral des Man (!) zersetzen würde, hat in ihrem einzigen autobiographischen Buch einen wesentlichen Aspekt der Menschwerdung wunderbar beschrieben: die kreative Verbindung von Natur und Kultur, von Kindlichkeit und Erwachsenheit, von Ernst und Heiterkeit:

Es begann in Kristins Küche, als ich ungefähr fünf Jahre alt war. Bis dahin war ich ein kleines Tier gewesen, das mit Augen, Ohren und allen Sinnen nur das in sich eingesogen hatte, was Natur war. Dass es auch Kultur gab, erfuhr ich erst, als ich auf Kinderbeinen in Kristins Küche stiefelte, wo mich überraschend ein Hauch davon streifte.
Kristin war mit unserem Kuhknecht verheiratet, und was wichtiger war, sie war Edits Mama. Diese Edit gesegnet sei sie jetzt und allezeit las mir das Märchen vom Riesen Bam-Bam und der Fee Viribunda vor und versetzte meine Kinderseele dadurch in Schwingungen, die bis heute noch nicht ganz abgeklungen sind. In einer seit langem verschwundenen, armseligen kleinen Häuslerküche geschah dieses Wunder. (2002, 85)

Diese phantasievolle Beschreibung eines wesentlichen Aspekts des Wunders der Menschwerdung erinnert mich an das Wunder der Weihnacht im Stall von Bethlehem.

Von der List und Lust des Witzes der Kinder lernen!

* Der dreijährige Martin geht mit seinem Papa spazieren. Als sie bei einem Eisgeschäft vorbeikommen, sagt Martin: Papi, möchtest du nicht ein Eis haben? Nein! Na gut. Aber jetzt fragst du mich!

* Es regnet in Strömen. Vater uns Sohn laufen nach Hause. Plötzlich bleibt der kleine Lars vor einer herrlichen Pfütze stehen und sagt. Vati, warum patscht du denn nicht mal richtig da durch? Dir kann das doch keiner verbieten!

* Erste Klasse Volksschule. Martin hat sich in seine kesse Lehrerin verliebt. Als sich diese über sein Heft beugt, guckt ihr Martin interessiert in den Ausschnitt. Als die Lehrerin das merkt, faucht sie ihn böse an: Du wirst gleich eine kriegen! Martin grinst und sagt. Und wer kriegt die zweite?

Besonders gern habe ich listige Witze. Das Wort listig springt mir in die Augen und ich werfe einen Blick in die Geschichte der Sprache. Es ist sehr aufschlussreich, die alten Schichten der Sprache zu betrachten, weil sich dort vitale Lebenserfahrungen und praktisches Lebenswissen abgelagert haben: Was bedeutet eigentlich listig? Das Wort List stammt vom germanischen lis ab und bedeutet wissen ! Und das ebenso alte Wort listi hat die Bedeutung flink, gewandt . Die ursprüngliche Bedeutung von List äußert sich etwa im Wort Kriegslist. Im Lebenskampf ist es nämlich ganz richtig und wichtig, listig zu sein, zu wissen, wie man schwierige Verhältnisse clever behandelt. (Kluge 1967)

* Der kleine Florian erzählt seinem Freund im Kindergarten: Ich war schon sehr früh sehr klug. Schon mit zwölf Monaten konnte ich laufen! Das nennst du klug?, sagt Robert: Ich habe mich noch mit zwei Jahren tragen lassen!

Außerdem sind die Worte List und Lust verwandt. Denn die Grundbedeutung von Lust ist Ausgelassenheit , also das Gegenteil von eingesperrt sein, beschränkt sein da steckt das Wort Schrank drinnen und man steckt selber drinnen, wenn man nicht listig ist! Mit List wird oft lustig Ballast und Belastung abgeschüttelt und man kann sich auch noch kurz vor Lachen ausschütten. Motto: Lass dich aus der Rolle fallen, damit du aus der Falle rollst!
So kann man dann auch mit Rollen spielen und muss nicht bloß im Korsett von Rollen eingeengt agieren.

Meistens sind Kinder Objekte der Erziehung, weil die Erwachsenen häufig unter die Rubrik Schwererziehbar oder hoffnungslose Fälle fallen. Im Kinderwitz werden schwierige, ängstliche, perfektionistische, erstarrte, bornierte, schwache und unerträgliche Eltern, Lehrer und andere Erwachsene kräftig auf die Schaufel genommen, mal sehr aggressiv, mal verständnisvoll und manchmal fast liebenswürdig. Etwa so:

* Der kleine Tobias fragt seine Lehrerin: Kann man für etwas bestraft werden, das man nicht gemacht hat Aber nein, natürlich nicht , versichert die Lehrerin. Tobias seufzt erleichtert: Ich habe meine Hausaufgabe nicht gemacht!

Aber auch Witze, die oft unter Kindermund laufen enthalten sehr originelle Wahrnehmungsweisen und können die Lachmuskel zwischen Großhirn und Bauch mächtig in Schwingung versetzen:

* Fragt der Onkel die fünfjährige Susi: Wie hat dir denn der Besuch im Tiergarten gefallen? Das war ganz toll, Onkel Fritz! Da laufen ja alle Schimpfwörter lebendig herum!

* Klein Hanna entdeckt an den Schläfen ihres Vaters die ersten grauen Haare. Da sagt sie entsetzt: Papi! Du fängst ja schon zu schimmeln an!

Doch sehen wir und jetzt listige Witze an, die die These von Albert Einstein bestätigen: Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist beschränkt! Schade, dass viele Wissenschafter und Wissensvermittler diese Beschränktheit nicht wahrnehmen! Doch den Kindern bleibt nichts verborgen! Sie glauben nicht fraglos und haben oft mehr Gespür für Anstand als blind gläubige Erwachsene.

* Sagt der Vater zur Susi: Bitte, sag niemandem, wie viel Taschengeld ich dir gebe! Keine Sorge, Papi! Ich schäme mich deshalb genau so wie du!

Die folgende Szene ist einfach küstlich. Der fünfjährige Winfried liefert nicht nur ein Beispiel für das, seinem Alter entsprechende, magische Denken sondern vor allem für den unter Erwachsenen immer seltener zu findenden Sinn für menschliche Würde:

* Winfried besucht einen katholischen Kindergarten, obwohl seine Eltern evangelisch sind. Eines Tages kommt er erbost heim und sagt: Du Mama, heute hat uns die Tante erzählt, dass Gott alles sieht. Das gefällt mir gar nicht! Er geht zielstrebig in das Kinderzimmer und dreht die Ikone über seinem Bett um! Dann sagt Winfried energisch: So, jetzt kann er in die Wand schauen!

Sehen wir uns also einige typische Forderungen des Man an und wie sie im Kinderwitz oft geradezu genial überlistet werden. Bert Brecht, der viel Sinn für die Verfremdung hatte, hätte bei den folgenden kindlichen Kreationen viel Spaß gehabt. Brecht hat typische Verhaltensregeln für Kinder aufgelistet und als Gedicht veröffentlicht (1973, Bd. 9, 585):

Was ein Kind gesagt bekommt:
Der liebe Gott sieht alles.
Man spart für den Fall des Falles.
Die werden nichts, die nichts taugen.
Schmökern ist schlecht für die Augen.
Kohlentragen stärkt die Glieder.
Die schöne Kinderzeit, die kommt nie wieder.
Man lacht nicht über ein Gebrechen.
Du sollst Erwachsenen nicht widersprechen.
Man greift nicht zuerst in die Schüssel bei Tisch.
Sonntagsspaziergang macht frisch.
Zum Alter ist man ehrerbütig.
Süßigkeiten sind für den Körper nicht nötig.
Kartoffeln sind gesund.
Ein Kind hält den Mund.

Kinder sind Vorbilder für List, Kreativität und Widerstandskraft

Im Kinderwitz werden wichtige Man -Vorschriften und ihre Träger, besonders Eltern und Lehrer, aber auch andere Erwachsene, küstlich überlistet und auf die Schaufel genommen. Häufig geht es darum, sich nicht einschüchtern und entmutigen zu lassen und die Erwartungen und Forderungen in einen ungewöhnlichen Bezugsrahmen zu stellen. Letzteres wird in der systemischen Psychotherapie als Technik des refraiming zur heilsamen Distanzierung von destruktiven Wahrnehmungs- und Beziehungsmustern angewandt. (De Shazer 1989)

* Tom kommt mit seinem Zeugnis nach Hause. Die Mutter ist entsetzt: Was soll ich zu diesem miserablen Zeugnis sagen? Meint Tom beruhigend: Was du sonst auch immer sagst: Hauptsache man ist gesund!

* Der Vater betrachtet kopfschüttelnd die Mathearbeit seines Sohnes: Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, dass du dich mit so einer miserablen Note überhaupt noch nach Hause traust? Sagt der Kleine: Dem Mutigen gehört die Welt, Vati!

* Der halbwüchsige Sohn stürzt ins Wohnzimmer und sagt zum Vater: Du, Papa, soll ich dir von meiner ersten Fahrt mit deinem Auto erzählen oder willst du es lieber morgen in der Zeitung lesen?

In vielen Kinderwitzen geht es um die Spannung zwischen Selbstbehauptung und Anpassung an die Wünsche anderer. Diese Dialektik spielt unser ganzes Leben lang eine sehr große Rolle. Denn in der bloßen Anpassung an das, was Man tut, denkt und sagt, verbindet sich eine devote, unterwürfige Haltung von unten mit der despotischen Haltung von oben. Das führt dazu, dass es nur noch Obertanen und Untertanen gibt. Aber Kinder, die noch Kind sein dürfen, nehmen das nicht fraglos hin! Und vernünftige Erwachsene, also eine Minderheit, findet eine solche Weltanschauung auch widerlich.

Im Faschismus wurde ja diese totale Anpassung an die von oben geforderte Ideologie und Welt-Anschauung als Ideal angesehen: Führer befiel! Wir gehorchen! Aber auch der ganz gewöhnlichen bürgerlichen Erziehung ist diese Gesinnung nicht fremd, wie der Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter immer wieder betont! (1979, 13) Und der neoliberale Kapitalismus mit seinen asozialen Tendenzen und seiner überzogenen Leistungs- und Konkurrenzorientierung, verschärft diese Einstellungen. Der revolutionäre junge Martin Luther hat dieses Problem genial auf den Punkt gebracht:

Es gibt zwei Kardinälinnen. Die eine ist, dass die Mächtigen ihre Macht missbrauchen. Die andere besteht darin, dass das Volk sich das gefallen lässt!

In diesen beiden Witzen ist mehr Weisheit verborgen als in einer fünfbändigen Dogmatik:

* Wo ist Gott? Gott ist überall, nur nicht in Rom. Dort sitzt nämlich sein Stellvertreter!

* Religionsunterricht. Liebe Kinder, fragt der Religionslehrer, was müsst ihr tun, damit euch Gott eure Sünden vergibt? Da sagt Anna im Brustton der überzeugung: Sündigen, Herr Lehrer!

Und jetzt wird der strenge Appell an das über-Ich listig auf die Schaufel genommen. Sowohl der Pfarrer als auch die Jungen benützen Gott zur Legitimation ihrer gegensätzlichen Wünsche:

* Im Garten des Pfarrers gibt es herrliche Herzkirschen. Drei Buben klettern über den Zaun und genießen diese köstlichen Früchte. Als der Pfarrer bemerkt, dass seine geliebten Kirschen immer weniger werden, wird er wütend und stellt ein Warnschild vor den Baum mit der Aufschrift. Gott sieht alles! Am nächsten Tag steht darunter geschrieben: Aber er verrät uns nicht!

Übrigens hat eine französische Psychoanalytikerin, die sich hinter dem Pseudonym Jeanne Van den Brouck verbirgt, ein pfiffiges und gescheites Buch geschrieben, das Francoise Dolto als genial bezeichnet hat, nämlich ein Handbuch für Kinder mit schwierigen Eltern. (1981) Ein solches Buch zum Thema schwierige Lehrer, schwierige Zeitgenossen wäre noch zu schreiben, oder? Vor kurzem erschien ein köstliches und rotzfreches Buch, verfasst von Robert I. Sutton, Universitätsprofessor für Wirtschaftswissenschaften an der weltberühmten Stanford University, mit dem treffenden Titel: Der Arschloch-Faktor. Vom geschickten Umgang mit Aufschneidern, Intriganten und Despoten im Unternehmen! (2007) Da geht s also um schwierige Erwachsene. Doch zurück zu den listigen Kindern:

* Deutschunterricht in Hamburg. Klaus liest ein selbstverfasstes Gedicht vor: Der Fischer wollte angeln einen Barsch das Wasser stand ihm bis zum Knie Fragt der Lehrer verwundert: Und wo reimt sich das? Sagt Max schmunzelnd: Sie müssen warten, bis die Flut kommt!

* Die Mutter schimpft den kleinen Martin: Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen! Da widerspricht der Kleine energisch: Das stimmt nicht! In der Schule diene ich immer als abschreckendes Beispiel!

Wie Kinder die Man Menschen entlarven

Schließlich möchte ich Sie, liebe Leserin, liebe Leser, dazu einladen, über einen Kinderwitzteppich zu schreiten und die Blütenpracht kindlicher Phantasie und List mit Schmunzeln und Lachen zu genießen. Dies soll der Bewusstseinserheiterung, aber auch der Bewusstseinserweiterung dienen. Die einzelnen Themen habe ich nach Man Forderungen, die Anforderungen sind, angeordnet.

Man lernt brav!

* Deutschstunde: Wenn einer sagt das Lernen macht mir Freude , welcher Fall ist das? Meint Klaus: Das ist ein seltener Fall, Herr Lehrer!

* Der Drittklässler schimpft lautstark über die Schule. Da fragt ihn der Vater: Klaus, wie stellst du dir denn die ideale Schule vor? Geschlossen!

* Die Tante fragt Fritz: Gehst du gerne zur Schule? Doch ja. Ich gehe gerne hin und ich gehe sehr gerne wieder zurück. Nur die Zeit dazwischen gefällt mir gar nicht!

Man lügt nicht!

* Der Vater hält seinem Fünfjährigen eine strenge Moralpredigt: Merke dir ein für allemal, ich will nie mehr eine Lüge von dir hören! Lügen tun nur blöde Feiglinge! Ja, Papi, sagt Klaus kleinlaut. Kurz darauf läutet das Telefon. Da sagt der Vater zu Klaus: Geh mal hin und heb ab. Wenn es jemand für mich ist, dann sag, dass ich nicht daheim bin!

* Der Vater sagt zu seinem Fünfjährigen. Hör zu, mein Sohn! Ich habe noch nie im Leben gelogen! Kannst du das auch von dir behaupten? Klar, Papi! Bloß das grundehrliche Gesicht dabei, das krieg ich noch nicht so hin!

Man streitet und schimpft nicht!

* Mutti! , sagt der kleine Christian, nachdem er im Fernsehen einen Boxkampf miterlebt hat, von denen können Papi und du noch etwas lernen! Die geben sich s nämlich auch ordentlich, aber nachher geben sie sich immer die Hand!

* Der Vater ruft empört: Heidi! Woher hast du denn diesen schlimmen Ausdruck? Aber der ist doch von Goethe! Ich verbiete dir den Umgang mit diesem Flegel!

Man schlägt nicht!

* Fragt Fritz seinen besten Freund: Was hast du denn da für einen großen braunen Fleck? Das ist ein Muttermal. Und der große blaue Fleck? Das ist ein Vatermal!

* Frau Müller sitzt weinend im Sessel. Ihr Mann kommt ins Zimmer und fragt: Was ist los? Warum weinst du? Egon, ich glaube, wir sind zu streng mit Fritzchen! Als ich ihn gestern im Kaufhaus verloren hatte, wurde er nach seinem Rufnamen gefragt. Und er hat gesagt: Fritzchen, lass das!

Man erzieht!

* Mitten in der Abendsendung gibt die Bildröhre zischend ihren Geist auf. Die Mutter knipst das Licht an. Der Vater sieht sich um und sagt zum Sohn: Junge, bist du groß geworden!

* Antwortet ein kleiner Junge auf die Frage einer freundlichen älteren Dame: Nein, meine Mutti zieht mich nicht groß! Ich wachse von alleine!

Man ist sauber und isst brav!

* Die Mutter schimpft mit ihrem völlig verdrecken Sohn: Weißt du eigentlich, was ein Ferkel ist? Ja, Mutti, das Kind von einer Sau!

* Familienspaziergang am Sonntag. Der Opa schimpft: Aber, Roland! Bist du verrückt! Du darfst doch die Leute auf der Strasse nicht mit Schmutz bewerfen! Meint der Kleine: Muss ich da warten, bis ich ein Auto habe?

Aber hoffentlich nicht nach dem Motto: Das Leben wird immer schwerer ich auch!

* Die Mutter schimpft beim Mittagessen: Was meinst du, was mit kleinen Mädchen geschieht, die ihren Teller nicht leer essen wollen? Da sagt die Kleine cool: Die bleiben schlank, werden Mannequin und verdienen viel Geld!

Man rülpst nicht!

* Der Lehrer fragt Erich in der Physikstunde: Erkläre mir den Unterschied zwischen Physik und Chemie! Erich druckst erst herum, dann kann er einen Rülpser nicht unterdrücken. Der Lehrer ist empört und gibt ihm eine Ohrfeige. Sehen Sie, Herr Lehrer, sagt Erich, das erste war ein chemischer Vorgang und das zweite war Ihre physikalische Reaktion darauf!

Man ist gebildet und folgsam

* Der achtjährige Max macht seine Schulaufgabe. Papa, wo liegen denn die Bahamas? Keine Ahnung! Frag doch Mutti, die räumt immer alles weg!

* Der Vater ruft genervt: Verdammt, mein Junge! Jetzt rufe ich schon mindestens zehn Mal nach dir, und du hörst nicht! Was soll denn bloß aus dir werden? Kellner, Vati!

* Die Mutter hat die vierjährige Sabine endlich ins Bett gebracht und sagt verürgert: So, jetzt wird geschlafen! Nach fünf Minuten ruft die Kleine: Mami! Ich habe Durst! Wütend bringt sie ein Glas Wasser und sagt: Wenn du noch einmal Mami rufst, gibt s Prügel! Kurze Zeit ist es still. Dann sagt die Kleine: Frau Klein, kann ich noch etwas zum Trinken haben?

* Zwei Brüder spielen begeistert Fußball. Plötzlich sagt der Ältere: Wir sollten schon seit einer Stunde daheim sein! Da gibt s sicher eine kräftige Strafe! Aber nein, sagt der Kleine: Wir spielen noch eine Stunde. Dann bekommen wir von Mami einen Kuss, weil uns nichts passiert ist!

Glück ist ein Wort aus der Kinderwelt!

Wir alle wünschen uns, dass das Leben glückt. Das ist aber nur durch das Zusammenspiel von kultivierter Kindlichkeit und Erwachsenheit möglich. (Kirchmayr 2000) Ein besonders sympathischer Heiliger, nämlich Franz von Assisi, hat dieses Kunststück als Ideal angesehen und gelebt. Er hat das Weihnachtsfest als Fest der Menschwerdung Gottes, also der Kindlichkeit und nicht der Herrlichkeit Gottes eingeführt, wodurch er viele geistliche und weltliche Herrschaften und Machthaberer provoziert hat.

Der kleine Franz lebte eine Spiritualität der Kindlichkeit, ohne jeden patriarchalen Größenwahn, verbunden mit enormer sozialer Sensibilität, mit Zivilcourage und einer Spiritualität der kleinen, aber energischen Veränderungsschritte. Die Kindlichkeit Gottes, vor der man keine Angst haben braucht, wird gefeiert und verehrt. Der Gebrauch Gottes als Angstmacher und zur Produktion von Untertanen wurde durch den kleinen Franz entlarvt. Kein Wunder, dass er beinahe als Ketzer ermordet worden wäre die Umkehr des Blicks nach oben ist dabei das Wesentliche. Heute ist dagegen Weihnachten zum Hochfest der Kapitalismusreligion entartet. Ein witziger Psychoanalytiker hat diese Festtage als alcoholidays bezeichnet.

Horchen wir auf die Worte des kleinen Franz, der die Natur und die Menschen liebte und manchen kirchlichen und weltlichen Herrschaften die Leviten gelesen hat:

Gott wollt mich als Einfaltspinsel haben Ich, euer kleiner Bruder Franz Schaut euch die Lerchen an! Unscheinbar und fröhlich suchen sie am Wegesrand ihre Körner. Sie fliegen zum Himmel empor, und singen dabei. Ihr Gewand hat die Farbe der Erde, und mit ihrer kleinen Kapuze am Kopf gleichen sie uns, den minderen Brüdern. Sind wir nicht dazu da, wie fahrende Sänger den Menschen Freude zu machen? Franz von Assisi und seine Brüder verstanden sich als Spielmänner Gottes, die den Menschen die Heiterkeit des Herzens bringen sollen. (Holl 2002, 19, 191)

Und also sprach Sigmund Freud: Glück ist ein Wort aus der Kinderwelt. Geld macht nicht glücklich! Dass Geld beruhigen kann, ist keine Frage. Aber alles Glück hat mit dem Kindlichen zu tun, mit dem ästhetischen Leicht-Sinn und mit der Hingabe an den Augenblick. (Freud 1974 Bd. 9, 208-218)

Unlängst wurde in einer empirischen Studie über das Lachen festgestellt, dass Kinder durchschnittlich vierhundert Mal am Tag lachen, Erwachsene gerade noch vierzig Mal! (Titze, Patsch 2004, 5o) Deshalb dürfen wir den weisen Rat von Friedrich Nietzsche nicht vergessen, den wir nur dann befolgen können, wenn wir uns von der List, der Lebenslust und dem ausgelassenen und strahlenden Lachen der Kinder anstecken lassen (1999, 72):

Seit es Menschen gibt, hat der Mensch sich zu wenig gefreut: Das allein, meine Brüder, ist unsere Erbsünde! Und lernen wir besser uns freuen, so verlernen wir am besten, anderen wehe zu tun und Wehes auszudenken.

Literatur

Brecht Bertold (1973): Gesammelte Werke in 20 Bänden. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
De Shazer Steve (1989): Der Dreh. überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie. Auer, Heidelberg
Freud Sigmund (1974): Sigmund Freud Studienausgabe Band 9: Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M.
Freud Sigmund (1992): Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Der Humor. Einleitung von Peter Gay. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M.
Galli Johannes (1999): Der Clown als Heiler. Galli Verlag, Freiburg
Holl Adolf (1999): Mystik für Anfänger. Libro, Wien
Holl Adolf (2002): Der letzte Christ. Franz von Assisi. Libro, Wien
Kamper Dietmar (1993): Der aufs Spiel gesetzte Mensch. Schillers ästhetische Anthropologie und die Folgen. In: Ursula Baatz u. a. (Hg.): Vom Ernst des Spiels. Dietrich Reimer Verlag. Berlin, 161-171
Kästner Erich (1995): Die kleine Freiheit. Deutscher Taschenbuch Verlag, München
Kirchmayr Alfred (2000): Rettet die Purzelbäume! Herr Doktor, mein Mann denkt Tag und Nacht nur ans Geld! In: Publik Forum Extra: Glück als Lebenskunst. Oberursel, 13-16
Kluge Friedrich (1967): Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache. Walter de Gruyter & Co, Berlin
Lindgren Astrid (2002): Das entschwundene Land. Deutscher Taschenbuch Verlag, München
Lorenz Wolfgang (1994): Egon Friedell. Momente im Leben eines Ungewöhnlichen. Eine Biographie. Edition Ruetia, Bozen
Nietzsche Friedrich (1999): Also sprach Zarathustra. Goldmann Verlag. München
Nietzsche Friedrich (1956): Werke in 3 Bänden. Hg. Karl Schlechta, Hanser Verlag, München, Bd. 2
Richter Horst Eberhard (1979): Der Gotteskomplex. Die Geburt und die Krise des Glaubens an die Allmacht des Menschen. Rowohlt, Reinbek
Ringel Erwin, Alfred Kirchmayr (2004): Religionsverlust durch religiöse Erziehung. Herder, Wien (1. Auflage 1985)
Schmid Wilhelm (1999): Philosophie der Lebenskunst. Suhrkamp, Frankfurt
Stier Friedolin (1981): Vielleicht ist irgendwo Tag. Aufzeichnungen. Kerle Verlag, Freiburg
Sutton Robert I. (2007): Der Arschloch-Faktor. Vom geschickten Umgang mit Aufschneidern, Intriganten und Despoten im Unternehmen. Hanser, München
Titze Michael (1995): Die heilende Kraft des Lachens. Mit therapeutischem Humor frühe Beschämungen heilen. Kösel, München
Titze Michael, Christof T. Eschenröder (1999): Therapeutischer Humor. Grundlagen und
Anwendungen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M.
Titze Michael, Inge Patsch (2004): Die Humor-Strategie. Auf verblüffende Art Konflikte lösen. Kösel, München
Van den Brouck Jeannne (1981): Handbuch für Kinder mit schwierigen Eltern. Klett-Cotta, Stuttgart

Alfred Kirchmayr

Psychoanalytiker, Wissenschaftsjournalist. Aktueller Schwerpunkt: Humor, Witz, Kreativität, Psychohygiene, Psychotherapie und Lebenskunst. Jüngstes Buch: Witz und Humor. Vitamine einer erotischen Kultur. Wien 2006 (ein Sach- und Lachbuch mit 300 kommentierten Witzen!).
Aktuelles Buchprojekt: Rettet die Purzelbäume! Kinderwitz List und Lebenslust
Homepage: www. psychotherapie-lebenskunst.at

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