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muss das schön sein

Anita Rüesch ist von Beruf Lehrerin. Nebenbei schreibt sie Kinderbücher. Sie hat die 1. Humorwerkstatt im Haus Gutenberg, Fürstentum Liechtenstein, absolviert und bei dieser Gelegenheit ihre innere Clownin entdeckt:

Muss das schön sein, eine Clownin zu sein !

Ich suchte sie, auch wenn ich nicht wusste wo?

Wer sucht – der findet … Die Frage ist nur was?!

Januar 1998. Ich öffnete meinen Briefkasten. Zwischen Zeitung und Rechnungen fand ich die Broschüre der Erwachsenbildung des Fürstentum Liechtenstein. Neugierig blätterte ich darin. Was da alles für Kurse angeboten wurden! Auf der Seite vom Haus Gutenberg blieb ich hängen. Humorwerkstatt – 1-jähriger Fortbildungskurs. Ich wusste sofort – das ist es! Ich spürte sofort, dass ich mich in dieser Humorwerkstatt auf die Suche nach meiner inneren Clownin machen konnte.

Es gibt nur eine Möglichkeit zu lernen – und das ist durch Handeln.
Paulo Coelho

Bereits am ersten Workshop-Wochenende habe ich viel gehandelt. Es gab viele Lernsituationen. Ich konnte tun. Nicht ohne Herzklopfen wagte ich Schritte. Oft wurde ich gezwungen, mein alles unter Kontrolle haben oder ich muss gut sein oder das kann ich nicht loszulassen. Immer wieder fand ich mich in neuen Situationen, die ich nicht kannte und demzufolge auch spontan reagieren musste.
Die Kursleiter und Kursleiterinnen gaben mir das Vertrauen und das Übungsfeld. Ich hatte nie das Gefühl, ich werde mit kritischen Augen betrachtet und irgendwo im Minus eingestuft.
Die Gruppenmitglieder gaben mir ebenfalls das Vertrauen. Ich fühlte mich sehr wohl in der Gruppe und ich freute mich immer auf ein Wiedersehen. Die Gefühle, die ausgetauscht wurden, die vielen Gespräche, die wir miteinander geführt haben, das Lachen über alle möglichen und unmöglichen Dinge – all das gab mir das Gefühl – hier kannst du deine Clownin suchen.
Auf meiner Suche hatte ich kleinere und größere Erfolgserlebnisse. Die gaben mir neuen Mut und neue Kraft, weiter zu suchen.
Aber – wie es so ist im Leben – daneben lagen auch einige Stolpersteine. Hindernisse, die mir das Weitergehen bzw. das Weitersuchen erschwerten. Hindernisse, die ich zuerst anschauen, darüber nachdenken und dann entscheiden musste, ob ich jetzt einen anderen Weg einschlagen oder ob ich das Hindernis aus dem Weg räumen muss?
Beim genauen Betrachten der Hindernisse fand ich heraus, dass ich mir diese selber in den Weg gestellt hatte. In der Kindheit aufgestellt, von der Familie und der Gesellschaft geformt und bestätigt und – je älter ich wurde – von mir selber als richtig eingestuft. Ich merkte, ich bin mein größter Fallensteller!
Während der Zeit der Humorwerkstatt konnte ich viele Stolpersteine aus dem Weg räumen. Aufgestellte Normen und Grenzen, die für mich ja gar nicht stimmen. Kleinere und größere Sprünge über die Grenzlinie bereicherten mich mit mehr Freiheit, mehr Selbstbewusstsein, mehr Lebensfreude und Mut, noch mehr Sprünge zu machen. Es ist eine positive Kettenreaktion.

Hindernisse waren plötzlich auftretende Emotionen, Sätze und Gedanken.

Stolperstein Nr. 1 – Autsch!

Das kann ich nicht!

Ich erinnere mich. Jedes Wochenende hatte ich mehrere Male diesen Satz im Kopf. Ich weiß noch – am 1. Wochenende – musste ich mich einem Partner gegenüberstellen, beide mit einer Clownnase im Gesicht. Wir hatten die Aufgabe, uns anzuschauen und dann abwechslungsweise unsere ganze Aufmerksamkeit der Partnerclownnase zu widmen. Die Nase übertrieben zu bewundern und so zu tun, als ob ich noch nie eine Clownnase gesehen hätte. Ich weiß noch, ich sagte laut zu meinem Partner das kann ich nicht! . Er antwortete ganz gelassen, doch, doch, das kannst du schon . Ich fühlte mich gehemmt, beobachtet, nervös. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, muss ich lachen. Ich habe wirklich Schritte gemacht. Das kann ich nicht hat ja hier überhaupt keine Verbindung mit der Fähigkeit, es zu tun. Alles, was ich da tun musste, konnte ich selbstverständlich. Es war eine persönliche Grenze, die ich überschreiten musste. Wichtig war vor Allem, bei mir zu bleiben und nicht zu denken: schaut mir jemand zu? Bewundere ich genug intensiv? Mache ich s gut? Was denkt der Partner?

Daneben gab es auch Aufgaben, die schwieriger und neu für mich waren. Aber auch hier gilt: Etwas nicht zu machen, obwohl ich es gerne tun würde, nur weil ich es noch nicht gut kann, ist einfach Unsinn. Wie soll ich etwas, das ich noch nie gemacht habe, sofort gut können. Das geht doch einfach nicht. Ich verlange von meinen Schüüer und Schülerinnen auch nicht, dass sie alles sofort kapieren. Das ist totale Überforderung. Ich führe dann immer Selbstgespräche: Anita, das hast du noch nie gemacht. Du musst nicht perfekt sein. Du kannst aber etwas dabei lernen. Also – wenn du´s tun willst – pack´s mit Freude an!

Stolperstein Nr. 2 Oh, nein!

Das macht man nicht!

Beim näheren Hinsehen wurde mir bewusst, dass dieser Satz oft in den Abfall gehört. Das macht man nicht! . Darauf folgt jetzt bei mir die Frage: Warum nicht? Wer hat diese Norm aufgestellt? Stimmt diese Norm auch für mich? Was könnte passieren, wenn ich mich dieser Norm nicht füge?
Ich habe gespürt, dass diese Normen eigene Grenzen sind, die manchmal hilfreich und gut sind, oftmals völlig unnötig und falsch. Grenzen, die übersprungen werden dürfen und es passiert überhaupt nichts Negatives im Gegenteil. Erkenntnis, Vertrauen und Mut sind nötig, um über den Zaun zu klettern. Ist der Schritt getan, folgt ein Gefühl von Stolz, Freiheit und Eigenständigkeit.

Nr. 3 ein hartnäckiger Stolperstein.

Ich trau mich nicht! Das macht mir Angst!

Angst ist eines der größten Hindernisse. In den meisten Fällen gehört sie in den Abfall. Aber so einfach werde ich sie nicht los. Die Angst taucht immer wieder auf. Sie lösst sich nicht so schnell abschütteln. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Angst in Beziehung steht mit dem Vertrauen. Wenn ich viel Angst spüre, ist kein Vertrauen vorhanden. Wenn viel Vertrauen da ist, bin ich fast angstfrei. Fazit – meine Aufgabe ist es, das Vertrauen aufzubauen. Aber wie? Wie stärke ich mein Vertrauen?

Ich stehe vor einer Aufgabe, die ich bewältigen will. Ich höre und spüre in mir Ich trau mich nicht, das macht mir Angst . Je nach der momentanen Vertrauensdicke kann ich die Angst an der Hand nehmen und ich geh durch. Manchmal dauert die Auseinandersetzung länger und ich muss mir länger gut zureden, bis ich den Schritt wage. Wenn ich die Entscheidung getroffen habe, es zu tun, dann sieht es aber für mich nicht so aus Augen zu und durch. Nein, dann will ich mit offenen Augen die Aufgabe erledigen.

Stolperstein Nr. 4 – Aua, meine wunden Knie!

Ohne Hilfe schaffe ich das nicht!

Wo ist die hilfreiche Hand, die mich durch diese Aufgabe begleitet? Bei einer ganz schwierigen Aufgabe oder bei einer Idee, die zu verwirklichen für mich einfach zu bedrohlich ist – ich geb´s zu – brauche ich eine Hand. Es ist schön, zu sehen, dass die Hand immer da ist, wenn ich sie wirklich brauche.

Stolperstein Nr. 5

Ich bin nicht gut genug! Ich bin nicht so gut wie die anderen!

Stolperstein Nr. 6

Die Anderen sind witziger, schlagfertiger, spontaner …. einfach besser!

Stolperstein Nr. 7

Finden mich die anderen gut?

Stolperstein Nr. 8

Du hast es wieder nicht gut gemacht! Du bist unfähig!

Stolperstein Nr. 9

Warum können´s die anderen und ich nicht?!

Stolperstein Nr. 10

Was denken die anderen Leute über mich?

Wenn ich immer denken würde, was die Leute über mich denken, wenn ich dies oder das, so oder anders mache, könnte ich das, was ich tue nicht mehr genießen!

Blöd – oder nicht?

Anita Rüesch, Humorakel Liechtenstein

Die Suche geht weiter…..

Es ist wie bei der Suche nach einem Schlüssel. Du findest immer wieder Gegenstände. Du kannst die Dinge flüchtig anschauen und dann weitersuchen. Du kannst dir aber auch bewusst überlegen. Was habe ich da gefunden? Brauche ich das noch? Hat das Ding nicht schon lange ausgedient? Kann ich das Ding in den Abfall geben, weil es überflüssig geworden ist und Platz wegnimmt?Ja und auf der Suche nach der Clownin fand ich immer wieder Dinge. Oft waren es Hindernisse, die mir im Weg standen. Ich wollte nicht flüchtig hinsehen und dann weitersuchen. Ich habe mich oft hingesetzt und darüber nachgedacht. Was habe ich da gefunden? Brauche ich das noch? Hat das Ding nicht schon lange ausgedient? Kann ich es in den Abfall geben?

Die Clownin suchen – das ist ja harte Arbeit!

Also, wenn du auch auf die Suche nach der Clownin gehst, überlege es dir gut. Vielleicht ist es besser, du wirst zuerst Hürdenläuferin oder Hochspringer ode r…..

Habe ich die Clownin gefunden?

Um noch einmal auf das Schlüsselsuch-Beispiel zurückzukommen.

Ich habe mich auf die Suche gemacht, ohne zu wissen , ob ich überhaupt einen Schlüssel finden werde. Ich habe in verschiedenen Schlüssel-Ablage-Möglichkeiten gestöbert, andere Dinge gefunden und Dinge weggeworfen, die ich nicht mehr brauche.

So bin ich meiner Clownin immer näher gekommen.

Im Februar dieses Jahres, d.h. also kurz vor Abschluss der Humorwerkstatt habe ich ganz spontan diese inneren Bilder gesehen. Ich erzähle dir diese meditative Sequenz:

Ich sehe einen grossen Wasserfall. Plötzlich teilt sich das Wasser auf beide Seiten. Darunter wird die Erde sichtbar. Aus der Erde – aus einem Loch – steigt ein witziges Mädchen. Ich sehe zuerst die Hände, dann die Arme. Es stützt sich auf die Ellenbogen und zieht sich dann aus dem Loch. Es schaut sich um (frech, selbstbewusst, keck, grinsend) und klopft sich den Dreck aus den Kleidern.
Plötzlich merkt es, wo es sich befindet. Es sieht auf beiden Seiten das Wasser. Aengstlich denkt es, dass es sich in Sicherheit bringen muss, bevor das Wasser wieder kommt.
Die Angst verschwindet aber ganz schnell. Es schaut ganz frech auf beide Seiten, winkt dem Wasser und sagt: Komm schon! Dann kann ich auf dem Wasser den Wasserfall hinunterrutschen!

Für mich ist das ein Beweis, dass ich meine Clownin gefunden habe. Und noch einmal der Vergleich mit dem Schlüssel. Ich habe den Schlüssel gefunden. Ich habe auch gemerkt, dass der Schlüssel in verschiedene Schlässer passt und mir neue Räume öffnet. Ich bin sicher, da gibt`s aber noch mehr zu öffnen.

Die Clownin öffnete mir Türenzu Räumen, die ich schon lange nicht mehr betreten habe

zu Räumen, die ich irgendwann einmal zuschloss

zu Räumen, die mich bedrohten, weil ich nicht so ganz genau wusste, was sich dahinter verbirgt zu Räumen mit wunderschönen Dingen zu Räumen mit neuen Dimensionen. Jetzt geht mein Weg weiter in diese Richtung. Meine Clownin ist heilend. Ich habe sie zwar gefunden, aber richtig kenne ich sie in ihrer ganzen Persönlichkeit noch nicht. Ich bin neugierig und bereit, mit ihr Neuland zu entdecken. Mit ihr zusammen wage ich mich weiter. Ich weiss, sie ist meine beste Freundin. Mit ihr zusammen ist das Leben Lust und Freude.

Brief an meine Clownin

Hallo

Ich habe dich gefunden.
Ich wusste, dass du da bist.
Irgendwo.
Du gefällst mir sehr.
Ich will dich jeden Tag begrüssen.
Sei meine beste Freundin.
Begleite mich, wohin ich auch gehe.
Melde dich laut, wenn ich dir zuwenig Platz einräume.
Lach mit mir, wenn ich Fehler mache.
Freue dich mit mir über meine Erfolge.
Heitere mich auf, wenn ich traurig bin und leide.
Lerne mich, loszulassen.
Fähre mich immer wieder in den Fluss des Lebens.
Baue mit mir Luftschlösser.
Hilf mir und gib mir Mut, meine kreativen Kinder zu gebären.
Spring mit mir in die Luft.
Tanz mit mir.
Geniesse mit mir zusammen den Regenbogen.
Begleite mich im Sterben.

Deine beste Freundin

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