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Die dunkle Seite

Autoren: Matthias Nöllke

Von Archilochus bis Lisa Loch die dunklen Seiten des Lachens

Lachen hat ein beneidenswert positives Image. Alles, was uns lieb und teuer ist, verbindet sich mit dem Lachen: Freiheit (Lachen hat etwas Befreiendes), Unabhängigkeit, Vergnügen, Miteinander (Lachen ist ja ansteckend). Weniger verbreitet ist die gegenteilige Ansicht, die aber meiner Ansicht nach nicht weniger zutrifft: Die ganze Niedertracht, zu der Menschen überhaupt fähig sind, zeigt sich erst in ihrem Lachen.

Aktuelles Beispiel sind die Folterbilder aus dem Irak. Sie sind ja nicht nur deshalb so schockierend und abstoßend, weil da Menschen bis aufs äußerte gedemütigt und gequält werden, sondern weil ihre Peiniger lachen. Vielleicht halten Sie dieses Lachen für ein fehlgeleitetes Lachen. Weil es ja nichts zu lachen gibt. Doch das wird der Sache nicht gerecht., denn für uns als unbeteiligte Beobachter gibt es nichts zu lachen. Für die Folterknechte schon. Ja, erst durch ihr Lachen wird die Szenerie so monströs, erst durch ihr Lachen wird die Herabwürdigung, die Entmenschlichung der Opfer auf die Spitze getrieben.

Gegenprobe: Stellen Sie sich vor, die Peiniger würden ihr Geschäft mit ernster Miene verrichten. Das wäre entsetzlich genug, aber was fehlt, das ist diese absolute Entmenschlichung der Opfer, ihre Demütigung als Gegenstand des Amüsements.

Ganz anders im vorliegenden Fall. Die Militärpolizistin Lynndie England, die auf einigen dieser schockierenden Aufnahmen zu sehen ist, wurde von Ermittlern des US-Militärs zu den Vorfällen im der Haftanstalt Abu Ghreib befragt. Sie erklärte, die ganze Sache sei ein Spaß gewesen. Sie erklärte: „Wir fanden, es sah lustig aus. Deshalb wurden die Fotos gemacht.“

Hier geschieht durch das Lachen eine zweifache Entmenschlichung:

Die Folteropfer werden entmenschlicht; sie werden zum Objekt degradiert; schlimmer noch: zum Lachobjekt.

Gleichzeitig gibt es aber auch eine Entmenschlichung der Peiniger. Es ist ja nicht so, dass wir als Betrachter das Lachen gleichmütig hinnehmen. Durch ihr Lachen stellen sich die Peiniger außerhalb der menschlichen Zivilisation. Lynndie England erscheint als Monster. Denn sie hat über etwas gelacht, über das man nach unserer Auffassung nicht lachen darf. Weil hier nämlich gegen einen fundamentalen und universellen Wert verstoßen wurde; vielleicht den höchsten Wert überhaupt: die Würde des Menschen.

Die „Anästhesie des Herzens“

Wie funktioniert das Ganze? Wie leistet das Lachen diese doppelte Entmenschlichung? Ich glaube, hier ist ein Begriff hilfreich, den der französische Kulturphilosoph Henri Bergson geprägt hat: Beim Lachen, so Bergson, tritt eine so genannte „Anästhesie des Herzens“ ein. Anders gesagt: Unser Mitgefühl ist betäubt, wenn wir lachen. Das gilt übrigens auch für negative Mit-Gefühle. Wenn Sie auf jemanden zornig sind, dann lachen Sie ihn nicht aus. Jede Beimengung von Mit-Gefühl (etwa Neid, Trauer, Angst) führt zu einem verqueren Lachen.

Die Anästhesie des Herzens hat zwei wichtige Aspekte: Zunächst einmal löscht Lachen das Mitgefühl aus, insbesondere das Mitleid. Das kann auch positiv sein: Denn Distanz zum Leid schaffen, kann befreiend wirken. Wer über sich selbst lachen kann, hat eben auch kein Selbstmitleid. Das klassische Beispiel für das „ausgelöschte Mitgefühl“: Jemand schreitet gravitätisch eine Freitreppe hinunter, womöglich in Abendgarderobe. Es kommt, wie es kommen muss, der- oder diejenige gerät ins Stolpern und setzt sich auf den Hintern. Der Effekt: Wir lachen. Aber nur, solange sich nicht herausstellt, dass der oder diejenige zu Schaden gekommen ist. Dann erstirbt das Lachen. Und es ist uns peinlich, dass wir gelacht haben. Warum eigentlich? Weil derjenige, der lacht, signalisiert: Ich habe kein Mit-Gefühl mit dem, der ihn zum Lachen bringt. Das gilt übrigens auch für den Fall, wenn jemand uns ganz bewusst und vorsätzlich zum Lachen bringen will. Stellen Sie sich einen Komiker vor, der Ihnen menschlich schrecklich leid tut. Er wird Sie kaum zum Lachen bringen. In manchen Situationen besteht ein echter Konflikt zwischen Mitgefühl und Lachen. Das Lachen hat jedoch eine starke Tendenz sich durchzusetzen. Es ist angenehm und wir befreien uns vor den Verpflichtungen, die das Mitgefühl an uns stellen könnte.

Der zweite Aspekt: Die Fühllosigkeit, die durch die „Anästhesie des Herzens“ herbeigeführt wird, kann für den Lachenden auch eine Schutzfunktion haben. Wer lacht, lässt unangenehme, schmerzhafte Erfahrungen nicht an sich heran. Durch den Schutzpanzer des Lachens ist er bis zu einem gewissen Grade unverwundbar. Das klingt erst einmal sehr attraktiv. Die Kehrseite: Mit betäubten Herzen sind wir im Stande, Dinge zu tun/ hinzunehmen, die wir mit eingeschalteten Schmerzrezeptoren vielleicht nicht tun/ hinnehmen würden. So gesehen könnte man spekulieren, ob es für die amerikanischen Militärpolizisten vielleicht ein konsequenter Weg war, mit einer Situation fertig zu werden, die eigentlich nicht auszuhalten ist.

Satire und Karikatur

Nach weit verbreiteter Auffassung signalisiert Lachen: Es besteht keine Gefahr. Aber auch das Gegenteil ist richtig. Lachen kann gefährlich sein. Ganz unmittelbar für denjenigen, über den gelacht wird. Aber auch derjenige, der lacht, ist in Gefahr, wenn auch in anderer Hinsicht. Wer über diejenigen lacht, die eigentlich sein Mitgefühl brauchen, gerät in Gefahr, zum Monster zu werden wie Lynndie England. Er lässt alle Ansprüche, die seine Mitwelt an ihn stellt, an sich abprallen. Überdies: Wer über das lacht, was anderen „heilig“ ist, wird für diese anderen ebenfalls zum Scheusal. Denn er missachtet ihre Werte.

Als Lachnummer verlieren Sie jeden Anspruch auf Respekt und Rücksichtnahme. Man nimmt Sie nicht ernst. Sie stehen eine Stufe unter Ihren Mitmenschen. Auch wenn Sie ein sehr ernsthaftes Anliegen haben, so werden Sie damit nicht durchdringen. Solange die anderen Sie als Lachobjekt behandeln, haben Sie keine Chance. Das gilt auch für den Fall, wenn Sie mitlachen, sozusagen zu erkennen geben, dass Sie „Spaß verstehen“ können. Dadurch können Sie sich vielleicht als Persönlichkeit „rehabilitieren“. Aber Ihr Anliegen ist erledigt.

Diesen Mechanismus machen sich die Satire und die Karikatur zunutze. Nun gelten beide Ausdrucksformen nicht unbedingt als etwas Schlechtes. Im Gegenteil, ihnen wird nachgesagt, dass sie in besonderer, nämlich lustvoller, Weise zur Erkenntnis beitragen. Satire und Karikatur übertreiben das Typische, um es besser erkennbar zu machen, um es auf den Punkt zu bringen. Sie „demaskieren“, „entlarven“ die „eigentlichen“ Absichten. Sie konterkarieren das „hohle Pathos“, die Anmaßung der Macht.

Idealtypisch gibt es eine zweifache positive Wirkung: erkenntnissteigernd + emotional entlastend. Diejenigen, die uns einschüchtern, erscheinen lächerlich; wir lachen über sie, sie machen uns keine Angst mehr. Es gibt aber noch einen dritten Aspekt, der für Satire und Karikatur grundlegend ist: Die Herabwürdigung desjenigen, der karikiert oder satirisch „aufgespießt“ wird.

Mit „anästhesiertem Herzen“ lachen wir das Opfer aus. Möglicherweise fühlen wir uns ihm auch überlegen und genießen diese Überlegenheit. Mildernde Umstände, berechtigte Interessen, Gegenargumente interessieren uns nicht. Wenn der Satiriker/ Karikaturist seine Sache gut gemacht hat, sagen wir noch: „Hervorragend getroffen. Genau so ist es.“

Das ist jedoch eine sehr problematische Haltung. Denn „genau so“ ist es nun gerade nicht. Wenn es „genau so“ wäre, würden wir kaum darüber lachen. „Ausgewogene“, objektive Satire ist kaum zu ertragen, denn sie ist nicht lustig. Satire MUSS geradezu einseitig und ungerecht sein. Sie muss auf die Herabwürdigung ihres Objekts abzielen, dessen Ruf ruinieren. Darüber lachen die Leute, so funktioniert Satire und nicht anders.

Die Verse des Archilochus

Dieser destruktive Grundzug begegnet uns in Reinkultur bei einem der Ahnherren der Satire, beim griechische Dichter Archilochos, der im 7. Jahrhundert v. Chr. lebte und durchaus in hohem Ansehen stand. Von seinen Werken ist keines vollständig erhalten geblieben, nur einzelne Sätze, Zitate späterer Autoren oder Papyrusfragmente.

Archilochos schrieb satirische Gedichte gegen seine Beinahe-Schwiegervater Lykambes, der ihm seine Tochter nicht zur Frau geben wollte. Diese Schmähverse trug Archilochos immer wieder öffentlich vor. Vermutlich weidete sich das antike Publikum an der öffentlichen Beschämung eines vormals ehrbaren Bürgers genauso wie es heute die Zuschauer von „TV Total“, der Harald Schmidt Show oder anderer frischer, frecher Fernsehformate tun.

Und die Verse zeigten Wirkung: Lykambes und seine Tochter sollen sich erhängt haben, weil sie diese Schmach nicht mehr ertrugen.

In aller Regel hat heutige Satire nicht diese dramatischen Folgen. Im Gegenteil: Seit den Zeiten von Sebastains Brants „Narrenschiff“ wird die Wirkungslosigkeit der Satire beklagt. Und diese Wirkungslosigkeit tritt paradoxerweise immer dann ein, wenn der Satiriker ein „Anliegen“ hat, das über die Rufschädigung seines Opfers hinausgeht. Wenn er etwas „bessern“ will. Das geht nie gut. Satire bessert nicht. Und sie bewirkt zustimmendes Gelächter nur bei denen, die mit dem Satiriker bereits übereinstimmen.

In der Satireforschung nennt man dieses Anliegen die „satirische Norm“. Sie bildet so etwas wie die ethische Grundlage der Satire, die sonst leicht in Verdacht gerät, eine ziemlich miese Nummer zu sein. Bekanntlich gelten Satiriker als verkappte/gekränkte Moralisten, die für die gute Sache streiten. Nur deshalb gilt ihre Satire als akzeptabel. Wenn wir die satirische Norm ablehnen, können wir auch die Satire nicht goutieren. Und doch dürfen wir trotz dieser „Normgebundenheit“ nicht übersehen: Satire hat immer diesen destruktiven, überspitzt gesagt: „entmenschlichenden“ Zug. Dass jemand zum Gespött, zur Unperson gemacht wird, ist kein „Kollateralschaden“, sondern ist Voraussetzung dafür, dass die Sache überhaupt funktioniert.

In diesem Zusammenhang ist ein Aspekt sehr wichtig: Das Opfer ist zu einer passiven Rolle verdammt: Es kann sich nicht verteidigen, kann sich nicht rechtfertigen. Die satirische Logik des Verspottens lässt es nicht zu, dass argumentiert wird. Das Opfer muss die Satire dulden und kann nur auf zwei Dinge hoffen: Dass die „Gags“ zu schlecht sind und nicht zünden. Oder aber dass das Publikum Mitleid/Mitgefühl mit dem Opfer hat. Beides hat zur Folge: Das Publikum lacht nicht.

Der Fall Lisa Loch

Gegenwärtig befindet sich die Satire in der Defensive, zumindest ist sie nicht sehr populär. Denn Satire lebt von der Entlarvung, von einem Widerspruch zwischen Schein und Sein. Das Angriffsobjekt gibt sich alle Mühe, bloß nicht lächerlich zu erscheinen. Heute grassiert eher die Lust daran, sich lächerlich zu machen. Denn das sorgt für Aufmerksamkeit und die ist in unserer „Mediengesellschaft“ bekanntlich knapp und heiß begehrt. Darüber hinaus verfolgt ein Satiriker immer auch ein Anliegen, und das ist heute kaum noch vermittelbar.

So ist an die Stelle der Satire die mehr oder minder sinnfreie „Verarschung“ getreten. Wenn jetzt jemand zur Witzfigur gemacht wird (was ständig geschieht), dann steckt kein Anliegen, keine Antipathie, keine Absicht dahinter, sondern einzig das Bestreben: Wir wollen Spaß haben.

Komik ist nicht Waffe wie beim Satiriker, sondern Ware. Was zählt, das ist der Lacher. Wer die Sache ernst nimmt, hat schon verloren. Einem Stefan Raab etwa sind seine „Opfer“ völlig egal; er benutzt sie als „Spielmaterial“, um sein Publikum zum Lachen zu bringen. Insofern schreckt Stefan Raab vor nichts zurück. Er führt Leute vor, die sich blamieren, egal, ob das Politiker, Pudelzüchter oder zahnspangentragende Teenager sind.

Den Opfern der sinnfreien „Verarschung“ bleibt eigentlich nur eine Möglichkeit, ihre Haut zu retten: Mitzuspielen, einzusteigen in das Spiel und deutlich zu signalisieren: Auch ich nehme die ganze Sache keine Sekunde ernst. Dadurch schwächen sie zwar die Komik, die ja davon lebt, dass sich jemand eine Ernsthaftigkeit anmaßt, die ihm nicht zugestanden wird. Aber immerhin trifft sie nicht die ganze Wucht des Verlachtwerdens. Diese Strategie wählte etwa der ZDF-Moderator Ingo Dubinski, der das Pech hatte, dass in einem Fernsehbericht für Sekundenbruchteile sein Geschlechtsorgan zu sehen war. Stefan Raab zeigte diese Szene nicht nur wieder und wieder (in Zeitlupe, versteht sich); die Angelegenheit wurde unter dem Begriff „Pulleralarm“ über Monate hinaus breitgetreten. Es gab einen Song und sogar einen „Pulleralarm“-Knopf am Moderatorenpult von Raab. Dubinski entschied sich dafür, „Humor“ zu zeigen und gar nichts zu sagen.

Anders im Fall von Lisa Loch, einer 16jährigen Schülerin, die an einer Misswahl in Köln teilgenommen hatte. Das Fernsehen war dabei. RTL machte kleinen Filmbeitrag darüber. Jede Teilnehmerin sollte sich vorstellen. Die Gymnasiastin sagte in die Kamera: „Mein Name ist Lisa Loch, und ich bin 16 Jahre alt.“

Eigentlich ist das nicht sehr witzig. Doch TV total machte daraus einen „Einspieler“, präsentierte diese kurze Sequenz, die in diesem Rahmen natürlich für Gelächter sorgte. Raab kommentierte: „Man muss doch heute nicht Lisa Loch heißen. So was kann man doch heute notariell ändern lassen, z.B. Lotti Loch oder vielleicht war Lisa Loch ihr Künstlername und die heißt nämlich Petra Pussy.“ Damit nicht genug. Am Donnerstag der selben Woche wird die Vorstellung nochmals gesendet. An diesem Tag wird immer der „Hammer der Woche“ vorgestellt. Eine Hitparade vermeintlicher Peinlichkeiten, die die Redaktion für witzig hält. Einige Zeit später stellte TV total Parteien vor, die gut von 16jährigen gewählt werden konnten. Darunter auch die „Lisa Loch“-Partei. Gezeigt wurde ein Wahlplakat mit kopulierendem Paar.

Die Folgen für die 16jährige: Mitschüler griffen die Hänselei von Herrn Raab gerne auf, es gab Spottgesänge, auf der Straße wurde sie von fremden Leuten als „Petra Pussy“ angesprochen und anonyme Anrufer, die sich für witzig hielten, wollten ebenfalls „Petra Pussy“ sprechen.

Lisa Loch setzte sich juristisch zur Wehr und hatte Erfolg: Stefan Raab wurde im Februar 2004 zu 70.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Bemerkenswerterweise bestand ein Teil der öffentlichen Reaktion in einer völligen Verstandnislosigkeit für Lisa Loch. Ihr wurde „Geldgier“ und „Humorlosigkeit“ unterstellt. Es erschien unverständlich, wieso sie ihre „Publicity“ nicht einfach nutzt? Sie wollte doch berühmt werden. Warum hatte sie sonst an dem Schönheitswettbewerb teilgenommen. Kurzum, wer für Raab Partei ergriff, der musste einen Teil der Schuld bei seinem Opfer suchen, das ja so „fernsehgeil“ gewesen sei.

Man kann davon ausgehen, dass Stefan Raab seinem Opfer eigentlich nichts Böses wollte (ein möglicher Unterschied zum Dubinski-Fall). Die Anwälte von Raab erklärten: Es war nicht die Absicht, eine Privatperson in einer Weise zu diskreditieren, dass sie darunter leidet.

Auch wenn dieser Satz recht verräterisch ist (das Diskreditieren von Privatpersonen war Absicht; aber nicht dass sie darunter leiden), so hat Stefan Raab eigentlich nur auf die Spitze getrieben, was Millionen anderer Witzbolde tagtäglich auch anrichten: Welche Folgen ihre Späße für ihre Opfer haben, ist ihnen gleichgültig. Sollen die doch mal „Humor beweisen“ und einfach darüber lachen!

Über sich selbst lachen können

Im Allgemeinen gilt es als angenehme Eigenschaft, wenn jemand über sich selbst lachen kann. Doch gibt es auch hier eine Kehrseite, eine recht dunkle zumal. Nun muss man der Gerechtigkeit halber zugeben, dass die Aussage, der-und-der kann über sich lachen, in der Regel nicht zutrifft. Meist geht es eher darum, gute Miene zu machen, wenn man sich blamiert hat. Eine gewisse Souveränität und Gewandtheit im Umgang mit andern an den Tag zu legen. Eine selbstironische Bemerkung fallen zu lassen, um seinem Gegenüber über die bedauerliche Tatsache hinwegzuhelfen, dass man fast immer Recht hat.

Kurzum, die angebliche Belustigung über sich selbst hat fast immer taktische Gründe. Man kann Kritik an sich abperlen lassen oder den Umgang mit seinen Mitmenschen geschmeidiger gestalten. Oder man kann die hämischen Angriffen parieren, von denen wir gerade gesprochen haben. Wobei sich die Häme in Grenzen halten muss: Denn eine Lisa Loch, die über ihre öffentliche Verhähnung mitlachen würde, wäre doch wohl eine gespenstische Vorstellung.

Doch nehmen wir den Fall, dass jemand tatsächlich über sich lachen kann. Freiwillig. Er nimmt sich und das, was er tut, nicht ernst. Sondern belustigt sich darüber. Wie wollen Sie so jemanden zu fassen kriegen? Er hat einen Fehler gemacht, Unheil angerichtet oder sich ganz einfach nur blamiert und was macht er? Er amüsiert sich darüber. Thema erledigt.

Besonders dramatische Formen kann die Sache annehmen, wenn es sich um Führungspersönlichkeiten und Leuten mit Verantwortung handelt, Eltern, Lehrer, Psychotherapeuten oder Politiker. Wir sind ja leicht geneigt, ihnen vorzuwerfen, dass die sich so unglaublich wichtig nehmen und so wenig Humor haben. Seien wir lieber froh darum! Denn es hat auch etwas Gutes, wenn man jemanden vor sich hat, der sich und das, was er so anstellt, grundsätzlich erst einmal ernst nimmt.

Abgrenzung durch Lachen

Es stimmt schon, im Wesentlichen ist Lachen ein soziales Phänomen. Wenn wir alleine sind, lachen wir nicht, wir lachen mit andern. Lachen überträgt sich. Aber Lachen ist gar nicht so ansteckend, wie immer gern behauptet wird. Denn das Lachen überspringt nur selten die Grenzen von fest gefügten Gruppen.

Schauen Sie sich eine Gruppe an, sagen wir: eine Gruppe von Jugendlichen, die durch die Stadt zieht. Sie werden beobachten können, dass immer wieder Bemerkungen gemacht werden, die Gelächter auslösen. Niemand außerhalb der Gruppe wird mitlachen, nicht nur weil die Bemerkungen im Allgemeinen nicht witzig sind. Wenn doch einer von außen mitlacht, sorgt das umgehend für Irritation. Denn die Gruppe grenzt sich durch ihr gemeinschaftliches Gelächter ab. Das Lachen fungiert geradezu als Grenzzaun.

Sie können natürlich auch die Gegenprobe machen: Sie ziehen mit einer Gruppe von Bekannten los. Jetzt befinden Sie sich diesseits des Grenzzaunes. Wenn jemand eine „lustige“ Bemerkung macht, dann tun Sie gut daran mitzulachen. Aber vermutlich werden Sie das ohnehin tun. Denn es gibt einen gewissen gruppendynamischen Automatismus. Eine Bemerkung kann gar nicht blöd genug sein, als dass man nicht darüber lachen könnte. Um humoristische Qualität und zündende Pointen geht es ohnehin nicht; sie sind gar nicht gefragt. Was Sie außerdem beobachten können: Manche Gruppenmitglieder ernten kaum Gelächter, egal, was sie sagen. Das sind unverkennbar die Außenseiter.

Denn im Lachen können Sie jemanden auf zweifache Weise strafen: Einmal indem Sie über ihn lachen, ihn verlachen. Und zweitens indem Sie über seine lustig gemeinten Bemerkungen nicht lachen. Von Otto Rommel stammt der Ausdruck „Überlegenheitslachen“; jemand ist witzig, läst Gelächter aus und zeigt dadurch, was für ein toller Hecht er ist; durch ausbleibendes Gelächter wird sinnfällig: er ist ein armer Wurm.

Aber es ist nicht nur die Gruppe, die sich von ihrer Umgebung durch gemeinschaftliches Gelächter abgrenzen kann. Umgekehrt schließt auch die neutral gestimmte Umgebung die lachende Gruppe aus. Wer nicht zur Gruppe gehört, der schützt die Gesellschaft der Lachenden nicht besonders. Vielleicht haben Sie schon einmal einen Abend in Gegenwart einer ausgelassenen Gesellschaft verbracht, zu der Sie selbst nicht gehörten. Vermutlich ist Ihnen die Gruppe auf die Nerven gegangen. Und Ihre Stimmung ist in den Keller gesunken. Kein Wunder, denn deutlicher kann man nicht vorgeführt bekommen, dass man nicht dazugehört.

Bleibt zuletzt die einengende Wirkung des Lachens. Sobald das Gelächter von jemandem Besitz ergriffen hat, verengt sich sein geistiger Horizont zu einem Schlitz. In der Gruppe ist dieser Effekt noch stärker: Gedankenaustausch? Fehlanzeige. Versuchen Sie einmal einer fröhlichen Runde einen halbwegs komplexen Sachverhalt zu vermitteln: Sie werden keinerlei Sachinformationen „rüberbekommen“, sondern nur Gelächter ernten. So gesehen wird durch das Lachen nicht nur das Herz anästhesiert, sondern auch das Hirn.

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